Bernapark: Im Worble Valley wird die Zukunft geplant
Vor elf Jahren stellte die Kartonfabrik Deisswil von einem Tag auf den anderen den Betrieb ein. Zwei Monate später übernahm der Berner Unternehmer Hans-Ulrich Müller die Fabrik und stellte alle entlassenen Angestellte wieder ein. BERN-OST hat sich mit Müller getroffen. Heute sind bis zu 40 Firmen im Bernapark eingezogen und es wurden bereits über 170 Wohnungen fertiggestellt. Müller hat aber noch mehr im Sinn.
Es ist eine positive Geschichte, die wir hier erzählen. In den letzten Jahren haben sich im Bernapark verschiedene Start-ups eingenistet, bald eröffnet ein Museum, eine Kita ist in Betrieb, eine weitere geplant. Ein Gesundheitszentrum ist vorgesehen, eine Pizzeria, eine Irish Bar, eine Brauerei und vieles mehr stecken hinter der Vision von Müller. Aber erst mal der Reihe nach.
253 Angestellte wurden aufgefangen
"Zuerst ging es mir um die Angestellten, die in der Kartonfabrik ihren Job verloren hatten." Das sagt Hans-Ulrich Müller heute, elf Jahre später. "Ich konnte damals nicht glauben, dass Mitarbeitende so schlecht behandelt werden. Zudem sah ich auch eine Chance für den Standort Deisswil." Müller hatte der österreichischen Mayr-Melnhof AG die Kartonfabrik samt Firmengelände mit rund 22 Hektaren Gewerbe- und Industrieland abgekauft.
"Für einen zu hohen Preis", wie Müller sagt. Als erstes habe er ein Büro eingerichtet und geschaut, wie und wo die Angestellten weiterbeschäftigt werden können. "Was kannst du gut, was machst du gerne, was motiviert dich?" habe er die Angestellten gefragt. Einige konnten im Bernapark weiterbeschäftigt werden, viele fanden eine neue Arbeit, andere wurden frühpensioniert.
Wohnen im urbanen Quartier
"Wir schaffen hier ein urbanes Quartier. Mit Wohnungen, Arbeitsplätzen, Einkaufsmöglichkeiten und Gastronomie." Was vor Jahren nach Werbeslogan tönte, ist heute realisiert. Coop ist eingezogen, ein Coiffeur, ein Fitnesscenter entsteht und 173 Wohnungen wurden bereits gebaut. Weitere Wohnungen sollen noch folgen. Und zwar mehr als doppelt so viele, sagt Müller. Die Wohnungen sind grosszügig bemessen, eine 3.5-Zimmerwohung verfügt über 140 Quadratmeter.
"Die meisten Wohnungen haben einen Balkon mit Blick auf den Dentenberg bis zum Chasseral." Künftig soll die Aussicht noch besser werden. Müller präsentiert eine weitere Überraschung: "Wir wollen die Worble umleiten." 1876 nutzte die Kartonfabrik die Worble zum Antrieb der Maschinen, zudem wurde Wasser für die Kartonproduktion entnommen. Häftlinge aus dem Thorberg verlegten die Worble um 700 Meter für die Wasserentnahme.
In den 1940er Jahren wurde die Worble zugedeckt. "Die Worble soll künftig um den Gebäudekomplex geführt werden. Wasser soll, wie beim Berner Stadtbach, in einem offenen Kanal durch den Bernapark fliessen. Der Kanal soll in einem kleinen See enden." So die Vision von Müller. Die Umsetzung hängt von der Zustimmung der Stimmbevölkerung und der Behörden ab.
Statt ins Silicon ins Worble Valley
Mit dem Zentrum für Innovation und Digitalisierung werden neue Firmen, Neudeutsch Start-ups, nach Deisswil geholt. "Wir bieten Jungunternehmer:innen ein Lokal. Sie erhalten Beratung und auch eine Infrastruktur." Die Mieten seien tiefer als in der Stadt und die RBS fährt in einer Viertelstunde zum Bahnhof. Beim Rundgang durchs Gebäude sehen wir in verschiedenen Büros Leute am Arbeiten.
Wo einst in riesigen Hallen Karton produziert wurde, entwickeln Start-ups Apps und digitale Lösungen. Die Firma Soobr will den Reinigungsprozess revolutionieren, Appentura kreiert über eine App Überraschungen. Geschaffen wird in schlichten Büros, welche durch Glaswände voneinander getrennt sind. Cafeteria, Tischtennistisch und Töggelikasten verbreiten eine Aufbruchstimmung nach Google-Vorbild. "Fast wie im Silicon Valley", lacht Müller. Nennen wir es Worble Valley, denke ich mir.
Pizza, Bier und Whiskey
Noch diesen Winter soll eine Pizzeria öffnen. Weiter geplant sind eine Bäckerei, eine Bar im irischen Stil, ein Hotel, eine Brauerei und eine Clubküche. Bei der Pizzeria und der Clubküche sind die Handwerker am Innenausbau, die Bar existiert erst auf Plan, die Brauerei und das Hotel als Idee. Die Clubküche kann gemietet werden.
Entweder mit Koch, der für eine Gesellschaft kocht oder man kann die Küche mieten, selbst kochen oder Workshops anbieten. Zur Irish Bar und zur Brauerei sagt Müller: "Wir richten das ein und stellen die Infrastruktur. Wenn es jemand betreiben will, ist das gut. Wenn nicht, machen wir es selbst."
Kunst im Museum
Auch Kunst wird in Deisswil präsentiert und gefördert. Die Schweizer Malschule bietet seit einigen Jahren Malkurse im Bernapark an. Neben Kursen soll auch gestandene Kunst ausgestellt werden. Ab September werden in einer ersten Ausstellung die Werke von Thomas Demarmels gezeigt. Demarmels' Stil nennt sich Fotorealismus, Bilder in der Tradition von Franz Gertsch. Seine Werke können im eigens im Bernapark eingerichteten Museum betrachtet werden. Eröffnung ist am 1. September.
[i] Bernapark AG, Stettlen