Beat Joss: Der König von Mirchel übergibt das Zepter

Während 32 Jahren war er Gemeindeschreiber von Mirchel. Einige nennen ihn sogar König oder graue Eminenz. Jetzt geht Beat Joss in Pension.

Laura Fehlmann, Berner Zeitung BZ

An der Wand hinter Beat Joss hängt ein Gemälde. Es zeigt Alt-Bundesrat Friedrich Traugott Wahlen in entspannter Pose. Das Bild des Lehrersohnes aus Mirchel hängt im Sitzungszimmer der Gemeindeverwaltung Mirchel. Gemeindeschreiber Beat Joss erinnert sich, dass Wahlen 1958 – bevor er Bundesrat war – zur Schulhauseröffnung gekommen sei. Die Schulzeit liegt jetzt über 50 Jahre zurück, und Joss steht kurz vor der Pensionierung.

 

In einer Seifen- und Waschpulverfabrik in Konolfingen absolvierte der junge Mirchler das KV, danach arbeitete er mehrere Jahre für Grossbanken. Nach Praktika in Frankreich und England kam er zurück ins Emmental und wurde Personalchef bei Kambly in Trubschachen. 1982 – Mirchel zählte damals gut 450 Einwohner – wurde für den jungen Mann zu einem Schlüsseljahr: «Ich heiratete und wurde als erster vollamtlicher Gemeindeschreiber und Kassier von Mirchel gewählt», erinnert sich Joss.

 

Im gleichen Jahr wurde auch sein Sohn Christian geboren, der mit 19 Jahren bei einem Motorradunfall starb. Bei dieser Erinnerung schweigt der Gemeindeschreiber für einen Moment. Es ist spürbar, dass ihn der Verlust seines einzigen Kindes immer noch schmerzt.

 

Verwaltung, Kasse, Bank

 

Als Beat Joss die Stelle antrat, hatte er sein Büro im Lehrerzimmer. Man habe damals gefunden, die Lehrer könnten die Pause draussen mit den Kindern verbringen, sagt er. Joss war nicht nur Schreiber und Kassier, sondern auch Leiter der Raiffeisenbank Kiesental.

 

«Ich habe mit null Franken angefangen und die Filiale im Jahr 2000 mit 44 Millionen Franken übergeben», sagt er nicht ohne Stolz. Als Herr über Verwaltung, Kasse und Bank hatte Beat Joss Einblick in fast alle Geschäfte der Gemeinde. Ob er deshalb hinter vorgehaltener Hand als «König von Mirchel» bezeichnet wurde?

 

Joss überlegt einen Augenblick, dann sagt er: «Im Laufe der Zeit habe ich sicher ab und zu den Finger auf eine wunde Stelle gelegt.» Den Königstitel erklärt er aber auch damit, dass er Beschlüsse habe mitteilen und Auflagen durchsetzen müssen, auch unangenehme. «Zuerst ein Gesuch stellen, dann bauen», habe er öfter gemahnt. «Da nahm ich es genau.» Offenbar so genau, dass ihn eine Bäuerin einmal fragte, ob sie ein Gesuch stellen müsse, um den «Wedelebock» hinters Haus zu verschieben.

 

Knacknuss Mühlebach

 

1993 zog die Gemeindeschreiberei an ihren heutigen Standort unterhalb Grosshöchstettens, unweit des Mühlebachs. Um das Rinnsal, das nach starkem Regen zum Wildbach werden kann, entspann sich zwischen Mirchel und Grosshöchstetten ein jahrelanges Seilziehen.

 

Sie stritten sich um den Kostenverteiler bezüglich Hochwasserschutz. Gelöst wurde das Zerwürfnis zwischen den beiden Gemeinden erst mit externer Vermittlung. «Der Mühlebach war eine der härtesten Knacknüsse für mich», sagt Beat Joss und ist froh, dass eine einvernehmliche Lösung gefunden werden konnte, die für beide Seiten stimmt.

 

Arbeitskollege übernimmt

 

Bald kann sich der Gemeindeschreiber so entspannt zurücklehnen wie Alt-Bundesrat Friedrich Traugott Wahlen auf dem Bild. Ende März, nach 32 Jahren, geht Joss in Pension. Er wird aber weiterhin in der Gemeinde wohnen, die heute 600 Einwohner zählt. Es sei eine gute, eine junge Dorfgemeinschaft. «Ein Viertel der Einwohner ist zwischen 0 und 16 Jahre alt», sagt er.

 

Bei seinem langjährigen Arbeitskollegen Antonio Corvaglia weiss Beat Joss die Verwaltung in guten Händen. Zukunftspläne hat er wenige, dafür gute Vorsätze: Mehr Zeit mit der Partnerin verbringen, mehr Sport treiben, mehr reisen und wandern. «Und ganz allgemein mehr Achtsamkeit», sagt er. Letzteres vor allem, weil ihm vor drei Jahren nach einem Herzinfarkt das Leben neu geschenkt worden sei.


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Erstellt: 15.03.2014
Geändert: 15.03.2014
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