Autobahnausbau Grauholz: "Hier werden wir Bauern fallengelassen"
Trotz zahlreicher Einsprachen hält der Bundesrat am Ausbau der Autobahn im Bereich Grauholz fest. Von der Verbreiterung auf acht Spuren wäre auch Landwirt Christian Salzmann betroffen. Warum er beim Thema Strassen ein Grüner ist, hat er BERN-OST vor Ort erklärt.
"Es ist faszinierend. Vor rund 30 Jahren wurde die Autobahn von vier auf sechs Spuren ausgebaut, jetzt reicht das schon wieder nicht mehr", sagt Christian Salzmann.
"Eigentlich wissen es alle"
"Eigentlich wissen es alle, auch in der Politik, dass der Ausbau der Autobahn nicht der richtige Weg ist." Sogar ein Vertreter des Bundesamts für Strassen (ASTRA) habe ihm im persönlichen Gespräch recht gegeben, dass das Ganze nicht viel bringe. Leider wage sich die Politik aber nicht, die "grenzenlose Mobilität" anzutasten. "Aus Angst, nicht mehr gewählt zu werden."
Salzmann bewirtschaftet einen Hof im Bolliger Ortsteil Habstetten. Er ist einer der Landwirte, die Boden hergeben müssten, falls das nationale Parlament den Vorschlag des Bundesrats zum Ausbau der Autobahnen gutheisst. 8,8 Milliarden Franken sind dafür in den nächsten Jahren schweizweit vorgesehen. Rund um Bern betrifft das unter anderem den Abschnitt zwischen Wankdorf und Schönbühl, wo die Autobahn von heute sechs auf neu acht Spuren anwachsen soll, um dem täglichen Pendlerstau entgegenzuwirken. Kostenpunkt: 253 Millionen Franken. Rund 13 Hektaren Kulturland würden dafür geopfert.
Ackerland und Wald
Salzmanns Land zieht sich über mehrere Hundert Meter der Autobahn entlang. Von der Grauholzbrücke in Richtung Raststätte bewirtschaftet er Ackerland, in Richtung Schönbühl gehören ihm zwei Waldstücke, die betroffen wären.
Vier Meter Boden würden für den geplanten Ausbau beidseitig benötigt. Den Teilabschnitt, der sein Ackerland betrifft, würde es laut Salzmann aber härter treffen. Auf rund 200 Metern müsste er nämlich sogar einen Streifen von 12 Metern Breite hergeben. "Für die ökologische Aufwertung", sagt er mit einem bitteren Lachen. Zusätzlich würde als direkte Folge der Autobahnverbreiterung eine Gasleitung verlegt, die danach unter seinen Äckern verlaufen würde.
Seit rund fünf Jahren im Bild
Einsprache eingereicht hat Salzmann gegen das Gesamtprojekt, Teileinsprache aber auch gegen die konkrete Ausgestaltung. So ist er der Meinung, mit Stützmauern wäre der Ausbau auch möglich, ohne Kulturland zu opfern. Ausserdem fordert er für das verlorene Land Realersatz anstatt einer Entschädigung.
Vom geplanten Ausbau habe er vor rund fünf Jahren erstmals erfahren, als die betroffenen Landbesitzer:innen vorinformiert wurden. An einer Infoveranstaltung sei es später zu besagtem Gespräch mit dem ASTRA-Vertreter gekommen.
"Positiv überrascht" von der Gemeinde
Mit seiner Skepsis ist der Habstetter nicht allein. 65 Einsprachen gingen gegen das Teilprojekt ein. Nebst betroffenen Landwirt:innen und Umweltorganisationen wehren sich auch Gemeinden gegen den Ausbau, so auch Salzmanns Wohn- und Arbeitsgemeinde Bolligen (BERN-OST berichtete). "Das hat mich positiv überrascht", so Salzmann. In Kontakt sei er zudem mit der Flurgenossenschaft Ittigenfeld, bei der er Mitglied ist und die sich mithilfe eines Anwalts ebenfalls gegen den Ausbau wehrt, mit anderen betroffenen Landwirt:innen und mit dem Verein Spurwechsel, der sich allgemein gegen den Ausbau von Strassen stellt.
Zwischen SVP und Grünen
Er sei eigentlich in vielen Fragen auf SVP-Linie. "Aber hier haben sie uns Bauern fallen lassen." Beim Thema Strassen sei er deshalb mit den Grünen einig. Dieser Widerspruch sei nicht ganz einfach, räumt er ein. Was er am 12. März zu den kantonalen Strassenprojekten stimmt, sei aber klar. "Zweimal Nein. Das Ganze ist einfach nicht mehr zeitgemäss."
Die Botschaft zum Autobahnausbau wurde vom Bundesrat am 22. Februar zuhanden des Parlaments verabschiedet. Als nächstes durchläuft der Kredit verschiedene Kommissionen des Ständerats und des Nationalrats und wird frühestens in der Sommersession erstmals in einer der Ratskammern behandelt. Für Christian Salzmann bedeutet das, erstmal abzuwarten.
Wie weiter?
Wie es bei einem Ja des Parlaments weiter geht, weiss er noch nicht. Möglich ist, dass es zu einem Referendum und damit zu einer Volksabstimmung kommt. Geht auch diese verloren, bleiben ihm noch die Einspracheverhandlungen. "Dann ginge es darum, mich für Realersatz einzusetzen und dafür, dass die Gasleitung nicht unter meinem Land zu liegen kommt."