Asylunterkunft Grosshöchstetten: Die Befürworter übertönen die Gegner

Kommen sie? Oder kommen sie nicht? Seit Monaten treibt die Flüchtlingsfrage die Dorfbevölkerung um. Die Ungewissheit könnte aber bald ein Ende haben.

Quentin Schlapbach, Berner Zeitung BZ
«Eher nicht», lautet die Antwort von zwei Frauen im mittleren Alter bezüglich einer Asylunterkunft mitten im Dorf. Der Standort sei ungünstig. «Da spielen tagsüber Kinder», sagt eine der beiden besorgt. Mit Namen in der Zeitung zitiert werden, das wollen sie aber nicht. «Wer sich negativ äusserst, gilt sofort als Rassist», sagt eine der beiden Frauen entschuldigend.

Die Strassenumfrage zeigt: Die Gegner einer Asylunterkunft in Grosshöchstetten sind noch immer zahlreich. In Internetportalen, wie etwa Bern-Ost, dominieren sie klar die Debatte. Auf der politischen Ebene sind die Gegner derzeit aber nicht auszumachen.

Selbst Parteien, die normalerweise Bedenken gegenüber neuen Asylunterkünften haben, wollen sich zurzeit nicht kritisch äussern. «Solange nicht alle auf demselben Wissensstand sind, gibt es von der SVP keinen Kommentar», so deren Sektionspräsident Werner Fankhauser.

"Ein einziges Telefon"

Diese fehlende politische Lobby der Gegner macht jene besser hörbar, die helfen wollen. «Ich war erstaunt, wie positiv sich die Parteien und Institutionen geäussert haben», sagt etwa Martin Rychener. Das Vorstandsmitglied der Freien Wählergruppe Grosshöchstetten spricht von einem Treffen Mitte Februar.

Mit dabei: Gemeinderat, Parteien, Kirchgemeinde und der Frauenverein. Das Thema: ein mögliches Asylzentrum in der alten Militärunterkunft im Zentrum von Grosshöchstetten.

«Es gibt grosses Verständnis für die aktuelle Situation», so Rychener. Diese Situation ist seit längerem bekannt: Der Kanton Bern sucht verzweifelt nach neuen Unterkünften für Asylsuchende. Dieses Manko hat man auch in Grosshöchstetten zur Kenntnis genommen. Konkret will der Gemeinderat nun mit dem Amt für Migration prüfen, ob und wann Asylsuchende in der Militärunterkunft einziehen könnten. Das teilte das Gremium in einer Medienmitteilung vor wenigen Tagen mit.

Selbstverständlich ist diese Kehrtwende nicht. Die Situation ist seit Monaten verzwickt. Im Sommer 2015 war die Möglichkeit eines Asylzentrums erstmals ein Thema. Susanne Berger, die Präsidentin der lokalen SP, fragte beim Amt für Migration an, ob Bedarf für neue Unterkünfte besteht. «Es war ein einziges Telefonat», sagt Berger rückblickend.

Ihre Idee: Falls eine Nachfrage da ist, soll der Gemeinderat prüfen, ob die Militärunterkunft neben dem Gemeindehaus zur Unterbringung geeignet ist. Das nächste Telefon ging aber nicht von Grosshöchstetten nach Bern, sondern umgekehrt. Am Apparat: das Amt für Migration. Das Anliegen: die Bitte um Hilfe.

Eier, Briefe, Hakenkreuze

Sie habe dem Gemeinderat nicht in den Rücken fallen wollen, sagt Berger heute. Das Gremium ­reagierte jedenfalls gereizt. Noch heftiger fielen die Reaktionen aus der Bevölkerung aus. Eier an der Hausfassade, anonyme Hass­briefe, Hakenkreuzschmierereien: Susanne Berger geriet ­kurzfristig ins Visier der Fremdenfeinde.

Die Situation beru­higte sich aber kurzum. «Verzicht auf Unterbringung Asylsu­chende» titelte der Gemeinderat Mitte September im Dorfblatt. Der Grund: Die Brandvorschriften können nicht eingehalten werden. 300'000 Franken hätte eine Umrüstung gekostet. Zu ­teuer.

Und dann, im Januar, die nächste Kehrtwende. Wegen der Not an Unterkünften lockerte die Gebäudeversicherung Bern auf Druck der Behörden die Brandvorschriften temporär für zwei Jahre. Grosshöchstetten war wieder im Gespräch. Und die Stimmen, die rieten, dass die Gemeinde von sich aus einen Schritt machen soll, mehrten sich. «Man sieht zurzeit in Konolfingen, dass so ein Projekt machbar ist», sagt etwa Ernst Zürcher, Präsident der Kirchgemeinde.

«Wir dürfen die Augen nicht verschliessen, sondern lieber aktiv etwas bewirken», sagt Rychener. Parteien, Kirchen, Vereine: Alle bieten Hand. «Besser wir sind gut vorbereitet, als dass wir mit einer Situation plötzlich konfrontiert sind», ergänzt Zürcher. Ob das die Mehrheit der Dorfbevölkerung auch so sieht, bleibt offen.

[i] Siehe auch...
"Asylsuchende in Grosshöchstetten: Gemeinde lässt Militärunterkunft erneut prüfen" vom 15.03.2016

- "Grosshöchstetten - Wird aus der Militärunterkunft doch noch ein Asylheim?" vom 18.02.2016

"Grosshöchstetten rechnet mit Flüchtlingsaufnahme: "Wir wollen proaktiv sein"  vom 23.12.2015

"Grosshöchstetten - Keine Asylsuchenden in Militärunterkunft" vom 14.10.2015

"Flüchtlingsstrom: Bald ein Asylzentrum in Grosshöchstetten?" vom 12.8.2015


Fehler gefunden?
Statistik

Erstellt: 30.03.2016
Geändert: 30.03.2016
Klicks heute:
Klicks total: