Allmendingen - Altes Schloss mit neuen Nachbarn
Der Wunsch nach innerer Verdichtung führt nicht selten zu Spannungen zwischen Investoren und Denkmalpflege. Doch es geht auch anders, wie ein Besuch beim Schloss Allmendingen zeigt.
Das Schloss Allmendingen ist ein malerischer Ort. Das erlebte schon Winston Churchill, als er vor siebzig Jahren mit dem Gesamtbundesrat hier zu Mittag ass. In seiner Tischrede rühmte er die «charmante Umgebung». Noch heute sind Besucher fasziniert vom Barockgarten, vom Park und von der Allee mit den alten Bäumen. Klar, dass die Gebäude auf dem Areal als «schützenswert» eingestuft sind.
Häuser fügen sich ein
In dieser Umgebung eine moderne Wohnüberbauung aufzustellen, wäre früher schwer denkbar gewesen. Heute ist es nicht nur denkbar, sondern bereits Tatsache. «Dort ist es», sagt Tatiana Lori. Sie steht eingangs Dorf beim Hirschen und zeigt hinauf zum Wohnpark Schloss Allmendingen. Sechs neue Mehrfamilienhäuser mit 42 Eigentumswohnungen sind dort entstanden. Es sind, das sieht man sofort, keine 08/15-Häuser: Mit ihren braunen Holzfassaden und den angenehmen Proportionen fügen sie sich gut in die Umgebung ein. «Das Braun ist zurückhaltend; weisse Fassaden würden hier zu sehr auffallen», lobt Lori.
Überzeugender Kompromiss
Tatiana Lori leitet die Fachbereiche Bau- und Ortsbildpflege bei der kantonalen Denkmalpflege. Diese arbeitete bei der Planung des Wohnparks in Allmendingen von Anfang an mit. Schliesslich grenzen die Neubauten an die Umgebung des Schlosses.
Ursprünglich waren drei Baufelder vorgesehen: nördlich, westlich und östlich des Schlosses. Der Denkmalpflege war es aber ein Anliegen, das östliche Feld grün zu belassen. Die Grundeigentümer – die Schlossbesitzer Bernard und Vincent Steck – waren damit einverstanden. Im Gegenzug bot die Denkmalpflege Hand dazu, die Baufelder nördlich und westlich des Schlosses etwas zu vergrössern. So gelang ein Kompromiss, mit dem beide Parteien und auch die Gemeinde als Planungsbehörde leben konnten.
Solche Lösungen sind heute gefragter denn je. Weil das Bevölkerungswachstum und der Wohlstand den Flächenbedarf von Herr und Frau Schweizer rasant steigen lassen. Laut dem revidierten Raumplanungsgesetz sollen Dörfer und Städte nicht mehr primär gegen aussen wachsen, sondern gegen innen. «Verdichten» ist das Gebot der Stunde. Dadurch steigt der Druck auf die historischen Ortsbilder – und letztlich auch auf die Denkmalpflege, die von Gesetzes wegen darauf achtet, dass die vorhandene Bausubstanz nicht zu sehr beeinträchtigt wird.
Überragendes Türmli
Tatiana Lori marschiert um den Wohnpark beim Schloss Allmendingen. Je drei Häuser gruppieren sich um einen Innenhof, ähnlich wie beim Schloss. Getrennt werden die beiden Häusergruppen durch einen Grünstreifen. Von hier aus öffnet sich der Blick auf das Schlosstürmli. «Die Neubauten sind weniger hoch als das Türmli. Sie sind nicht eine Konkurrenz zum Schloss, sondern eine Ergänzung», sagt Tatiana Lori. «Ja», findet auch Schlossherr Bernard Steck, «mit dieser Überbauung müssen wir uns nicht schämen.» Zu verdanken sei dies einerseits dem «feinfühligen Architekten» vom Berner Büro B. Und andererseits dem Umstand, dass man die Gemeindebehörden und die Denkmalpflege bei der Planung von Anfang an ins Boot geholt habe.
«Wird die Denkmalpflege früh miteinbezogen, entsteht nicht das Gefühl, wir seien nur Verhinderer», sagt Tatiana Lori. Dann lasse sich aus der DNA eines bestehenden Ortes heraus etwas Neues entwickeln. Es entsteht ein Projekt, das im Idealfall nicht nur gut aussieht, sondern auch wirtschaftlich erfolgreich ist. Die 42 Eigentumswohnungen im Schloss-Wohnpark, alle im höheren Preissegment, waren laut Bernard Steck jedenfalls im Nu verkauft.
GROSSE PLÄNE
In den Siebzigerjahren hatte Allmendingen grosse Pläne: Es hätte im grossen Stil Land überbaut werden sollen, die Einwohnerzahl hätte von 350 auf rund 3000 steigen sollen. Doch es geschah wenig: Viele Bauern liessen ihr Land nicht überbauen, sodass später wieder im grossen Stil ausgezont wurde.
Das Gebiet um das Schloss blieb die letzte grosse Baulandreserve der Gemeinde.
Ursprünglich waren dort Einfamilienhäuser geplant. «Doch dann kam man zur Einsicht, dass das schade wäre und dieses Land besser genutzt werden könnte», erklärt der Allmendinger Bauinspektor Wolfgang Josseck. Das Resultat des Umdenkens war eine neue Überbauungsordnung mit sechs modernen Wohnvillen. Diese sorgten für unterschiedliche Reaktionen: Die einen Allmendinger fanden sie «mutig», die andern «eine Faust aufs Auge». Die Gemeindeversammlung hiess die Pläne 2006 aber deutlich gut.
Gebaut wurden die Wohnvillen in zwei Etappen. Die zweite ist nun fertig, bald werden alle 42 Wohnungen bezogen sein. Der Wohnpark sei bei der Bevölkerung gut akzeptiert, sagt Gemeindepräsident Alfred Jost. «Ich höre viele positive und keine negativen Stimmen.» Dank der Siedlung stieg Allmendingens Einwohnerzahl von gut 500 auf 575 Einwohner.