Abstimmung zur Münsinger Senevita-Überbauung: Die Argumente der Gegner und der Befürworter
Am 4. März ist es soweit: Die Münsinger Bevölkerung stimmt ab über das Referendum gegen die geplante Überbauung der Senevita westlich des Münsinger Bahnhofs. Die Debatte ist eröffnet: Am 6. Februar kann die Bevölkerung an einer Podiumsdiskussion mitdiskutieren.
Mit der „Überbauungsordnung q Senevita“ sind ein neuer Zugang und Vorplatz zum Bahnhof, eine Veloeinstellhalle und ein Alters- und Pflegezentrum der Senevita mit 50 Pflegeplätzen und 80 Seniorenwohnungen geplant. Das L-förmige Gebäude soll Richtung Osten sieben, Richtung Westen fünf Geschosse hoch werden.
Gegen dieses Gebäude an sich richtet sich eines der Hauptargumente der Referendumsführer. Der siebenstöckige Baukörper wirke wie eine Mauer und verstärke die Trennung von unterem und oberem Ortsteil.
Seniorensilo oder nötige Pflegeplätze?
Zudem stellen sich die Gegner der Überbauung gegen ein „profitorientiertes Seniorensilo“. „Lösungen auf genossenschaftlicher und gemeinnütziger Basis sind profitorientierten Altersghettos à la Silo 8 vorzuziehen“, schreiben sie in ihrer Parole.
Der zuständige Gemeinderat Andreas Kägi weist dagegen auf die in Münsingen fehlenden 220 Pflegeplätze hin. Und betont: „Die Pflegeplätze stehen auch für Personen mit Ergänzungsleistungen zur Verfügung.“
Verdichtung gegen innen = mehr Geschosse?
Die in die Höhe gebaute Infrastruktur des Alters- und Pflegeheims sei zudem eine ressourcensparende Variante. Dies entspreche dem immer kürzer werdenden kantonalen Infrastrukturbeitrag des Bundes an Heime.
Ausserdem verlangten Entwicklungen gegen innen immer eine gute Aussenraumqualität, was zu höheren Gebäuden führe. „Die Höhe ermöglicht es, hinter dem Gebäude einen grosszügigen Gartenraum für die Bewohnenden und vor dem Gebäude den neuen für die Gemeinde wichtigen Bahnhofvorplatz zu schaffen“, so Kägi.
Wieviel Verkehr verträgt der Bahnhofvorplatz?
Über diesen soll auch die neue Industriestrasse führen. Diese verbindet dereinst die Belpbergstrasse mit der neuen Entlastungsstrasse, welche am westlichen Rand des neu zu überbauenden Gebiets endet. Auf dem Bahnhofvorplatz soll eine Höchstgeschwindigkeit von 30 Stundenkilometern erlaubt sein.
Gemäss Kägi werden dereinst täglich 2500 Verkehrsbewegungen über den neuen Bahnhofvorplatz führen. „Der Verkehrsfluss für den motorisierten Verkehr auf dem neuen Bahnhofvorplatz West entspricht einer ähnlichen Situation wie heute auf der Ostseite des Bahnhofs“, schreibt er. Dort seien es 3000 tägliche Fahrten.
Diese Aussichten stören die Gegner des Projekts. Der Bahnhofplatz werde trotz des Verkehrs als lauschiger Begegnungsort angepriesen, heisst es in der Parole zur Abstimmung. „Eine unterirdische Verkehrsführung durch Verbindung aller Einstellhallen auf der Bahnhof-Westseite würde eine autofreie Bahnhofumgebung schaffen“, schreiben die Referendumsführer.
Unterirdische Industriestrasse?
Dem entgegnet Kägi, dass die überirdische Erschliessung zum Beispiel für die Anlieferung und die Feuerwehr so oder so sichergestellt werden müsste. „Damit hätten wir doppelte Kosten ohne Mehrwert“, so Kägi.
Wegen den bereits unterirdisch verlaufenden Fussgängerquerungen beim Bahnhof und dem Grabenbach müsste eine unterirdische Verkehrsanlage zudem sehr tief liegen, was „horrende städtebauliche Eingriffe für die Rampen“ zur Folge hätte.
Verläuft die Ortsentwicklung um den Bahnhof koordiniert?
Weiter kritisieren die Gegner des Senevita-Projekts, dass die Überbauung des Bahnhofquartiers schlecht mit anderen Projekten östlich und westlich des Bahnhofs koordiniert sei. „Die Weiterentwicklung auf der Basis eines Flickenteppichs von Überbauungsordnungen, welche Partikularinteressen berücksichtigen, ist abzulehnen“, schreiben sie.
Demgegenüber sagt Kägi: „Der Blick auf das Ganze ist dank dem Richtplan Bahnhof West gewährleistet“. Er verweist auf die rege genutzte öffentliche Mitwirkung von 2016, aus welcher wesentliche Punkte in den Richtplan aufgenommen worden seien.
Und was ist Ihre Meinung?
Mit insgesamt 257 Unterschriften sind im Oktober letzten Jahres deutlich mehr als die geforderten 150 für das Zustandekommen des Referendums erreicht worden. Das Projekt vereint mit dem Wohnraum Senioren, dem verdichteten Bauen und dem zunehmenden Verkehr drei der aktuellsten städtebaulichen Themen und liefert damit viel Diskussionsstoff.
Am 6. Februar um 19.30 Uhr findet im Münsinger Schlossgutsaal eine Podiumsdiskussion mit Befürwortern und Gegnern des Referendums zur Überbauungsordnung q Senevita statt, welche auch live auf der Facebook-Seite von BERN-OST übertragen wird. Interessierte können direkt oder via Facebook-Kommentar mitdiskutieren.
[i] Siehe auch Newsbericht...
- "Referendum gegen Überbauungsordnung "Senevita": Münsingen entscheidet am 4. März" vom 09.11.2017
- "Referendum eingereicht: Senevita Münsingen kommt vors Volk" vom 24.10.2017
- "Münsingen - Planung für Senevita beim Bahnhof West liegt auf" vom 24.04.2017
- "Münsingen - Verdichtetes Quartier stösst auch Skepsis" vom 17.03.2016
- "Bahnhof West: Münsingen will 'dicht und relativ urban' bauen" vom 03.03.2016