Aaretal: Krumme Touren in der Dorfbeiz
Ein 40-jähriger Kosovare nimmt es seit Jahren nicht so genau mit den Gesetzen und ist mehrfach verurteilt worden. Nun steht er erneut vor Gericht – wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung in einem Restaurant im Aaretal.
«Alles Gerüchte und keine Fakten.» Im September 2011 reagierte der Pächter eines Restaurants im Aaretal gegenüber dieser Zeitung noch gelassen auf die Strafanzeige des Gemeinderats Wichtrach wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung.
Kurz zuvor hatte der Gemeindepräsident den traditionsreichen Betrieb auf Anordnung des Regierungsstatthalters wegen fehlenden Patents geschlossen – in Polizeibegleitung. Das hatte damals für einige Aufregung gesorgt.
Um Abgaben foutiert
Nun liegen diese Fakten in Form einer dicken Anklageschrift auf dem Tisch des Kantonalen Wirtschaftsstrafgerichts. Und diese Fakten geben kein gutes Bild ab. Die Staatsanwaltschaft wirft dem knapp 40-Jährigen unter anderem gewerbsmässigen Betrug, qualifizierte ungetreue Geschäftsbesorgung, Urkundenfälschung und Widerhandlungen gegen das AHV-Gesetz vor.
Gemäss Anklageschrift soll er als Geschäftsführer einer GmbH und einer AG, die als Pächter des Restaurants auftraten, Tageseinnahmen für eigene Zwecke oder für Familienmitglieder abgezweigt haben.
So etwa für Autoreparaturen, Leasingraten, den Kauf eines Porsches oder Ferien und Essen. Weiter soll er eine Weinsammlung unberechtigterweise verwendet haben als Sacheinlage zur Gründung einer neuen Aktiengesellschaft.
Zudem soll er für die Angestellten des Restaurants weder Sozialabgaben entrichtet noch Versicherungen, Quellensteuern oder Pensionskassenbeiträge bezahlt haben. Die Deliktssumme in diesem Zusammenhang beläuft sich gemäss Anklageschrift auf über 300'000 Franken.
Leasing mit Luxusautos
Der zweite Hauptanklagepunkt, gewerbsmässiger Betrug, dreht sich um Leasinggeschäfte mit Luxusfahrzeugen, die teilweise auf die Betreiberfirma des Restaurants eingetragen waren. Sie wechselten rasch den Besitzer, Leasingraten wurden allerhöchstens zu Beginn bezahlt.
Drei- von fünfmal lief ein solches Geschäft über einen Autohändler aus der Region. Dieser muss sich ebenfalls vor Gericht verantworten. Bei diesen Autodeals geht es nochmals um eine Deliktssumme von nahezu 300'000 Franken.
Der Kosovare war bei seiner Befragung am Dienstag sehr emotional. Er fiel der Gerichtspräsidentin ins Wort, stellte Gegenfragen, schweifte ab und verwendete nicht druckreife Ausdrücke. Die Vorwürfe in Zusammenhang mit dem Restaurant seien die «idiotischste Anklage in meiner kriminellen Karriere».
Er habe nichts aus der Kasse genommen, ganz im Gegenteil: «Ich habe sogar Geld aus dem privaten Umfeld eingeschossen, um den Betrieb aufrechtzuerhalten.» Wegen der Unfähigkeit anderer sei das Engagement in dieser Beiz zum «grössten Schlamassel» in seinem Leben geworden. Überhaupt müsse er immer der Kopf für andere hinhalten, man mache ihn zum «Sündenbock».
Er fürchtet um sein Leben
Zu den Leasinggeschäften mit den Luxusautos machte er nicht allzu viele Aussagen. Aber mit einigen Deals habe er gar nichts zu tun, die Staatsanwaltschaft versuche ihn mit einer «lächerlichen Anklage reinzuquetschen».
Da steckten andere Personen dahinter. Er könne jedoch keine Details nennen, weil er sonst um sein Leben fürchten müsse. Es sei denn, das Gericht garantiere seine Sicherheit. Bereits einmal hätten diese Personen ihn umbringen wollen.
Am Mittwoch folgen die Plädoyers. Das Gericht wird das Urteil am Freitag eröffnen.
[i] In Montenegro verhaftet
Der Hauptangeklagte wurde dem Wirtschaftsstrafgericht gestern in Handschellen vorgeführt. Er befindet sich wegen Fluchtgefahr in Sicherheitshaft. Der Prozess vor dem Wirtschaftsstrafgericht war ursprünglich auf den 1. Mai angesetzt.
Doch die Verhandlung platzte damals nach einer halben Stunde, weil der Beschuldigte nicht erschienen war. Er wurde deshalb international zur Fahndung ausgeschrieben und am 9. Juni in Montenegro verhaftet.
Am 1. Mai veröffentlichte das Verwaltungsgericht zudem ein Urteil in einem ausländerrechtlichen Verfahren gegen den Mann. Es lehnte die Beschwerde ab und bestätigte den Entscheid der Berner Migrationsbehörde, dass der Kosovare die Schweiz nach unzähligen Straftaten und wegen «schwerwiegender Verstösse gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung» verlassen müsse.
Das Bundesgericht ging später auf eine Beschwerde nicht ein, weil er den Kostenvorschuss nicht bezahlt hatte. In diesen Entscheiden hiess es, der Mann sei «unbekannten Aufenthalts».