Aaretal - Die Angst vor dem Schlamm

Bevor der Hochwasserstollen in Thun im Frühsommer in Betrieb geht, werden ab Mitte März Tests durchgeführt. Diese bereiten den Aaretaler Fischern Sorgen; denn der angeschwemmte Schlamm zerstört womöglich die Fischbrut.

Lisa Stalder, Der Bund
Die Aaretaler Fischer sind besorgt: Sie befürchten, dass die bevorstehenden Tests des Hochwasser-Entlastungsstollens in Thun schwerwiegende Auswirkungen auf den Fischbestand der Aare haben werden. Dies schreibt der Fischereiverein Aaretal in einer Mitteilung. Die erste Test-Phase soll am 9. März beginnen. «Zu diesem Zeitpunkt befinden sich die Äscheneier und Bachforellenbrütlinge noch im Kies», sagt Vereinspräsident Hans Thoenen. Durch das Ablassen von Wasser aus dem Thunersee werde auch viel Schlick angeschwemmt. Bleibe dieser auf dem Grund der Aare liegen, erhielten die Brütlinge möglicherweise zu wenig Sauerstoff und stürben ab. «Im schlimmsten Fall wird eine gesamte Fischgeneration ausgelöscht», sagt Thoenen. Ihm sei die Notwendigkeit dieser Tests bewusst, dennoch wäre es ihm lieber, wenn sie erst im Sommer stattfinden würden, wenn die Fische grösser seien, sagt Thoenen.

Hochwasser- vor Naturschutz

Die Befürchtungen der Aaretaler Fischer seien sicher berechtigt, sagt der kantonale Fischereiinspektor Peter Friedli. Es sei in der Tat möglich, dass die Eier und die Brütlinge der Bachforelle oder Äsche auf gewissen Flächen ersticken könnten. Beim Fischereiinspektorat sei man über die bevorstehenden Tests auch nicht sonderlich erfreut, gibt Friedli zu. Dennoch sei man der Meinung, dass die Tests unumgänglich seien: «Der Stollen ist eine wichtige Sache für den Hochwasserschutz in der ganzen Region.»

Die Projektleitung der kantonalen Baudirektion habe das Fischereiinspektorat von Anfang an in die Planung und Inbetriebnahme des Stollens mit einbezogen, bestätigt Friedli. «Unsere Bedenken wurden ernst genommen.» Das Fischereiinspektorat habe sich erfolgreich dafür eingesetzt, dass die ersten Tests auf einen späteren Zeitpunkt verlegt werden, nämlich auf dann, «wenn die besonders gefährdeten Jungäschen grösser sind und bereits schwimmen können».

Der erträglichste Kompromiss

Er habe für die Angst der Fischer «grosses Verständnis», sagt Ernst Spycher, Wasserbauingenieur bei der kantonalen Baudirektion. Er beteuert aber, dass während der Tests immer eine «natürliche Wassermenge» aus dem Thunersee abgelassen werde. Es könne zwar zu einer Trübung kommen, doch auch diese sei in einem natürlichen Bereich. Er gehe davon aus, dass keine Probleme auftreten werden. Zudem habe man sich mit dem Fischereiinspektorat auf eine Verzögerung der Tests geeinigt. Allzu lange hätten die Projektverantwortlichen die Test jedoch nicht hinausschieben wollen, sagt Spycher. Bei einem allfälligen Hochwasser müsse der Stollen funktionstüchtig sein. «Und das kann bereits im April oder Mai der Fall sein.»

Es gebe einen weiteren Grund, weshalb die Tests nicht erst im Sommer durchgeführt werden könnten: Laut Spycher hat der Stollen auch Auswirkungen auf die Schifffahrt. Bisher gab es im Schifffahrtskanal in Thun keine Strömung, «mit dem Stollen wird sich das zeitweise ändern», sagt er. Die Kapitäne müssten vor Saisonbeginn genügend Zeit haben, sich an die neuen Verhältnisse zu gewöhnen.

Der Grat zwischen Hochwasser- und Naturschutz sei oft sehr schmal, hält Spycher abschliessend fest. In Fall Thun habe eine Güterabwägung vorgenommen werden müssen. «Schliesslich haben wir uns für den erträglichsten Kompromiss entschieden.»

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Erstellt: 06.02.2009
Geändert: 17.03.2009
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