777. Geburtstag: Aufwachen in Allmendingen

Während 777 Jahren lief im Bauerndorf alles gut. Damit scheints vorbei zu sein.

Johannes Reichen, Berner Zeitung BZ

Allmendingen hat es gut. Die kleinste Gemeinde in Berns näherer Umgebung zählt 550 Einwohner, 18 Bauernbetriebe, 2 Restaurants und 2 Schlösser. Der Steuerfuss liegt bei 1,39. Im letzten Jahr machte die Gemeinde mit einem Haushalt von 2,7 Millionen Franken 1938.53 Franken Gewinn. Das sind 3 Franken und 53 Rappen mehr als budgetiert.

Es sei nichts zurechtgebogen worden, versicherte Gemeinderat Daniel Stucki am Donnerstag der Gemeindeversammlung.

Schöne Zahlen für das Dorf, das in diesem Jahr den 777. Geburtstag feiert und kürzlich seine Liebe zu Schmetterlingen entdeckte: Eine Gruppe Bürger engagiert sich dafür, dass der Lebensraum für die Insekten verbessert wird. Vor der Versammlung verkauften sie Gewürzfenchel und Weinraute – das mögen die Falter besonders. Allmendingen nennt sich jetzt «Dorf der Schmetterlinge».

Das klingt nach einem Idyll. Ist es auch. Aber, wie es scheint, auch arg bedroht. Auf einmal will die halbe Welt Allmendingen an den Kragen. «Wacht rechtzeitig auf», mahnte ein Bürger. Doch es ist, in manchen Dingen, schon zu spät.

Vergangenen Sommer hatte der Gemeinderat einen Planungskredit für eine Strassensanierung von 25 000 Franken bewilligt. Doch die Gemeindeversammlung wies das 1,5 Millionen-Projekt zurück. Nun stellt sich heraus, dass die Planer und Ingenieure nicht etwa 25 000 Franken ausgegeben haben, sondern gleich 92 000 Franken. «Das hätte man doch stoppen müssen», sagte ein Bürger erzürnt.

Apropos Strasse: In diesem Winter fällte der Kanton entlang der Bernstrasse Bäume. Er frage sich, auf welche gesetzlichen Grundlagen sich der Kanton berufe, so ein Allmendinger. Denn das Resultat sei «eine ästhetische Katastrophe, eine Frechheit».

Seit ein paar Jahren wird am Dorfrand am Wohnpark Schloss gebaut. Wie die Überbauung erschlossen wird, ist immer noch nicht klar. Denn die Interessen von Gemeinde, Kanton, Bauherrschaft und Landbesitzer gehen weit auseinander. Zudem steht die Gemeinde in einem Gebührenstreit mit dem Bauunternehmen. «Wir wollen mal sehen, ob ein Richter einen Volksentscheid ausser Kraft setzen darf», sagte Gemeinderat Aldo Quadri.

Weiter sorgte an der Gemeindeversammlung der Kanton für Kopfschütteln, der im Dorf eine Radaranlage abmontierte, weil er nicht genügend Geld damit verdient habe, sagte Gemeindepräsident Alfred Jost. Schlecht weg kam auch die Regionalkonferenz, die mit einem Bevölkerungswachstum von 10 Prozent bis 2030 rechnet und in der die Stadt bestimmt. Ein Anwesender: «Wenn sich Tschäppät mit Köniz zusammentut, haben wir nichts mehr zu sagen.»

Und nun sucht die BLS auch noch einen Standort für eine neue Werkstätte. Zwar hat sie vor allem Riedbach bei Bern im Blick, aber Allmendingen landete auf dem zweiten Platz. «Noch ist es kein Thema», so Jost, «aber es könnte einmal eines werden.» Allmendingen muss jetzt aufwachen. «Wenn die BLS merkt», sagte ein Mann, «dass es bei uns null Widerstand gibt, kommt sie zu uns.»


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Erstellt: 06.06.2015
Geändert: 06.06.2015
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