Wichtrach - Isabel Merki spricht über ihr Leben mit Anorexie

Im August dieses Jahres gelangte sie mit ihrer Magersucht an die Öffentlichkeit: Isabel Merki aus Wichtrach. Jetzt befindet sie sich auf dem Weg der Genesung. Sie berichtet über die schwierige Rückkehr in die Normalität.

dv / Berner Landbote

Körperlich gehe es ihr so gut wie schon lange nicht mehr, erzählt die 25-Jährige. Sie habe annähernd wieder das Normalgewicht erreicht. Psychisch war sie am Nullpunkt angelangt, als sie vor eineinhalb Monaten auf einer Eisenbahnbrücke stand…

Im vergangenen August, als sie ihr Suchtproblem öffentlich machte, wog Isabel Merki 38 Kilogramm – der Tiefpunkt lag bei 27,4 kg. Inzwischen nimmt sie wöchentlich zirka ein Kilo zu – einmal waren es sogar zwei. Psychisch sei es extrem hart, sich von «etwas Liebgewonnenem» zu verabschieden. Sie sagt: «Magersucht ist nun mal eine Sucht – und da ist ein Abschied nie einfach!» Sie habe gelernt, ihre Psyche «irgendwie im Zaum zu halten».


Auf den Bericht im «Berner Landboten» habe sie ausschliesslich positive Reaktionen erhalten. Menschen sprachen sie auf der Strasse mit «Frau Merki» an, woraus sich interessante Gespräche ergaben. Den Gang an die Öffentlichkeit bereut sie nicht.

Einmal pro Woche muss sie beim Hausarzt auf die Waage stehen. Dabei werden jeweils auch Blut- und Urinwerte kontrolliert. Überdies geht Isabel Merki einmal wöchentlich zur Psychologin. «So ein Termin bei der Psychologin ist jedes Mal schwere Arbeit an mir selber.»

Zuhause therapiere sie sich mit der Seidenmalerei. Die Seidentücher in der Grösse von 90 mal 90 Zentimeter bestehen aus vielen Formen, Mustern und Farben und stapeln sich in der Wohnung. Sie würde die Tücher gerne vermarkten. Sie sagt: «Es freut mich, wenn andere Menschen meine Arbeit schätzen. So habe ich das Gefühl, doch nicht ganz unnütz auf dieser Welt zu sein.»

Weihnachten allein zuhause


Die letzte Weihnachtszeit verbrachte Isabel Merki im Spital, ebenso ihren 25. Geburtstag und Neujahr. Jetzt verbringt sie Weihnachten im Elternhaus. Allein. Beziehungen hat sie keine mehr. «Auf der einen Seite stimmt mich dies sehr traurig, auf der anderen Seite muss ich sagen, dass ich mich so wohler fühle als in einer grossen Menschenmasse.»

Zuhause in Wichtrach wisse sie genau, welche Nummer im Notfall – sollte es ihr psychisch ganz schlecht gehen – zu wählen sei. Bezüglich Schlemmereien habe sie überhaupt kein Problem, denn die Hungerei habe sie aufgegeben. Mit den Eltern am Esstisch zu sitzen, das hingegen sei nicht mehr oder noch nicht möglich. Das würde sie an frühere Zeiten erinnern, «als die Situation jedesmal eskalierte».

Es allen recht machen


Selbstverständlich hat die junge Frau auch Wünsche: «Ich wünsche mir, irgendwann einmal ausziehen zu dürfen und wieder einer Arbeit nachgehen zu können.» Im Moment laufen Abklärungen mit der Invalidenversicherung für einen geschützten Arbeitsplatz. «Es geht darum, dass mir ein Coach zur Seite steht und genau sagt, wann im wahrsten Sinne des Worts Feierabend ist.» Unbedingt brauche sie eine Arbeit, bei der ihr gesagt werde, wann Pause ist und wann weitergearbeitet wird. «Sonst will ich es wieder allen recht machen, vergesse mich selber dabei komplett und der Teufelskreis beginnt wieder von vorne.»

 

Die Ärzte warnten: Einen weiteren Absturz in die Krankheit würde sie nicht überleben.


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Erstellt: 18.12.2013
Geändert: 09.06.2017
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