Worb - Nicht einfach weltfremde Landeier

«Traditionell», «fröhlich» und «bodenständig» – so sieht sich die Schweizer Landjugend. Doch der Verein passt sich auch an die Moderne an. Am Wochenende fand in Worb die Delegiertenversammlung statt.

Martina Bisculm, Berner Zeitung BZ
Der Parkplatz vor dem Schulhaus Worbboden ist gut besetzt. Die Autos tragen alle möglichen Kennzeichen. Thurgau, Zürich, Schwyz oder etwa Basel sind neben Bern vertreten. Drinnen tagt die Schweizer Landjugend. Der Verein hält seine 55.Delegiertenversammlung ab. Zum Rahmenprogramm gehören Kurse, eine Baumpflanzung, eine Besinnung und ein Fest am Samstagabend.

200 junge Männer und Frauen sind am Wochenende nach Worb gereist. Ein bunt gemischter Haufen. Was sie verbindet, ist die Freude am Zusammensein – und der ländliche Hintergrund. «Die Mitglieder sind alle in Dörfern zu Hause, aber heute sind nicht mehr nur Bauernkinder in der Landjugend», sagt der in Worb neu gewählte Präsident Ueli Niederberger.

Die meisten ehrenamtlich

Die Landjugend will jungen Menschen die Möglichkeit bieten, «ihre Freizeit interessant und abwechslungsreich zu gestalten», wie sie auf ihrer Website schreibt. Die Geselligkeit und d er Kontakt zu anderen sollen dabei im Vordergrund stehen.

Traditionellerweise füllt der Verein die Lücke zwischen Schulabschluss und Familiengründung. In diesem Rahmen sehen auch viele Anwesende in Worb ihre Mitgliedschaft. «Die Landjugend hat für alle einen unterschiedlichen Stellenwert. Mich interessiert vor allem das Organisatorische», sagt die 24-jährige Daniela Rolli. Sie ist an diesem Wochenende OK-Präsidentin. Der Verein sei ein Übungsfeld für die Vorstandstätigkeit. Und man lerne Verantwortung zu übernehmen, meint auch die 27-jährige Sylvia Bachmann. Sie ist im Sekretariat angestellt. Dort teilen sich zwei junge Frauen 160 Stellenprozente. Alle anderen Mitglieder engagieren sich ehrenamtlich.

Traditionelle Werte

Initiative und Engagement werden grossgeschrieben. «Bodenständig», «traditionell», «fröhlich» und «gesellig» – so beschreiben sich die Mitglieder der Landjugend. Die Organisation sieht sich aber nicht poli tisch. Klar ist: Junge Städter oder Städterinnen sucht man an der Delegiertenversammlung vergeblich. Wer hier ist, kommt aus einem ländlichen Gebiet. Einige Klischees über eben diese ländliche Jugend werden bestätigt: Unzimperlich begnügt sie sich fürs Nachtlager mit einer Matte auf dem Turnhallenboden. Zwischen den Kursen stärken sich einige Teilnehmer mit einer Prise Schnupftabak. Und das Fest trägt den rustikalen Namen Zitzechilbi. Zum Tanz spielt unter anderem das Schwyzerörgeliquartett Gugulüsch auf.

In der Menge scheinen aber auch pinkfarbene Haarsträhnchen auf. Im Gespräch mit den Jugendlichen wird schnell klar: Hier treffen sich keine weltfremden Landeier, sondern differenzierte junge Leute. «Ich komme relativ selten mit der Stadtjugend in Berührung. Ich stelle mir aber vor, dass sie die gleichen Wünsche hat wie wir», sagt Sylvia Bachmann. «Unsere Werte und Anlässe sind vielleicht etwas traditioneller, aber Bräuche und Vereine gibt es ja überall», ergänzt Daniela Rolli. Auch europaweite Treffen finden unter den Landjugend-Vereinen statt.

Mitglieder verloren

Der gesellschaftliche Wandel geht an der Landjugend nicht spurlos vorbei. Seit 10 Jahren hat der Verein sinkende Mitgliederzahlen. Letztes Jahr ging es mit einem Zuwachs von 4,7 Prozent zum ersten Mal wieder aufwärts. Die Schweizer Landjugend zählt momentan 3418 Mitglieder in 67 Gruppen, die in 6 Regionen zusammengefasst sind. Um mehr Nachwuchs anzuziehen, wurden an der letztjährigen Delegiertenversammlung nach einer «emotionsgeladenen Debatte», wie Sylvia Bachmann sagt, die kantonalen Sektionen abgeschafft. Zudem wurde das Beitrittsalter von 16 auf neu 14 Jahre gesenkt.

«Wir wollen die jungen Leute möglichst früh abholen», sagt Präsident Ueli Leuenberger, «dafür müssen wir attraktiv bleiben.» Ein weiterer Schritt in diese Richtung sind Marketingprojekte und eine aktive Öffentlichkeitsarbeit. Dass sich ein Beitritt lohnt, steht für die Delegierten in Worb ausser Frage. Wie die Zukunft der Landjugend in Zeiten der zunehmenden Mobilität aussieht, bleibt aber offen.

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Martina Bisculm, Berner Zeitung BZ
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Erstellt: 14.03.2011
Geändert: 14.03.2011
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