Worb - "Ich will alle Geschäfte durchbringen"

Eine Anwärmphase erhielt er nicht: Vom ersten Tag an musste sich der neue Worber Gemeindepräsident um das grösste Sorgenkind Worbs kümmern: den Verkehr. Trotz intensiven ersten 100 Tagen ist Niklaus Gfeller (evp) zuversichtlich, die wic

Lisa Stalder, Simona Benovici, "Der Bund"
«Bund»: Seit gut drei Monaten sind Sie der neue Worber Gemeindepräsident. Bis kurz vor Weihnachten hatten Sie noch als Lehrer gearbeitet. Fiel Ihnen dieser Wechsel schwer?

Niklaus Gfeller: Der Einstieg in das neue Amt war dermassen «stotzig», dass mir eigentlich keine Zeit blieb, mich gross mit dem Wechsel auseinanderzusetzen. Im neuen Jahr hatte ich zwar noch vereinzelte Lektionen, doch diese gab ich dann rasch ab. Der Abgang war abrupt.

Sie galten bei den Wahlen im November als Aussenseiter; dennoch haben Sie sich gegen drei Mitbewerber um das Gemeindepräsidium durchgesetzt. Warum haben Sie die Wahl gewonnen?

Ich hatte von allen Bewerbern die grösste politische Erfahrung. Ich bin bereits seit zehn Jahren Mitglied des Grossen Rats und zudem seit sechs Jahren im Gemeinderat, vier Jahre davon Gemeinderatsvizepräsident. Ausserdem hatte ich ein gutes Unterstützungskomitee, das mit einem kleinen Budget tolle Aktionen auf die Beine stellte.
Sie haben sich während des Wahlkampfs als Mann der Mitte präsentiert. War das ein weiterer Grund für Ihren Wahlerfolg?

Das war bestimmt auch ausschlaggebend. Ich bin der Meinung, dass die Chancen grösser sind für ein solches Amt, wenn man eine Position der Mitte vertritt. Mit einer extremen Haltung eckt man eher an. Ich habe mich aus diesem Grund auch davor gehütet, allzu viele politische Versprechen zu machen. Dies aus dem Wissen heraus, dass vieles gar nicht realisierbar ist. Ich glaube, das kam gut an.

Als Mann der Mitte arbeiten Sie nun mit einem Parlament zusammen, bei dem sich das Mehrheitsverhältnis seit den Wahlen im vergangenen November von links hin zu bürgerlich geändert hat. Ist das für Sie schwierig?

Nein. Denn man muss das Parlament nehmen als das, was es ist: Es ist jene Behörde, die dem Gemeinderat vorgestellt ist. Das Parlament sagt letztlich, was geht. Die Parlamentsmitglieder müssen sich zu einem Entscheid durchringen, der uns Gemeinderäten aufzeigt, wie wir weiterarbeiten müssen.

Im vergangenen Dezember haben Sie dem «Bund» gesagt, dass Sie in der Gemeindeverwaltung ein Klima der «Kreativität und Innovation» schaffen möchten. Ist Ihnen das bisher gelungen?

Ich musste gar nicht viel ändern. Die fünf Abteilungsleiter sind sehr selbstständig, und ich bin froh, dass ich so weiterkutschieren kann. Ich habe seinerzeit aber nicht nur die Verwaltung gemeint, sondern die Gemeinde an sich: Es ist mir wichtig, dass die Einwohnerinnen und Einwohner die Gemeinde mitgestalten. Ich schätze es, wenn sich die Leute mit dem auseinandersetzen, was in ihrer Gemeinde passiert. So werden die Entscheide besser akzeptiert und mitgetragen.

In den ersten 100 Tagen wurde Ihnen keine Anwärmphase gegönnt – gleich vom ersten Tag an mussten Sie sich um Worbs grösstes Sorgenkind kümmern: den Verkehr. Der Bund hatte beschlossen, für die Verkehrssanierung Worb keine Gelder fliessen zu lassen.

Vorerst ist dies nur ein Vorschlag des Amts für Raumentwicklung (ARE), aber noch kein definitiver Entscheid. Die eidgenössischen Räte werden in diesem Herbst über die Verteilung der Gelder bestimmen. Im Moment sind wir in einer Phase, in der wir uns noch für das Projekt starkmachen können – und das tun wir auch. Gemeinde und Kanton versuchen mit aller Kraft, dass das Projekt wieder von Priorität C auf Priorität A zurückgestuft wird. Noch ist nichts verloren.

Seien wir doch ehrlich: Das Urteil des Bundes ist derart vernichtend, dass es nur wenig Hoffnung gibt, dass die Verkehrssanierung bald umgesetzt werden kann . . .

Der Vorschlag des ARE ist für uns unglücklich, das ist so. Das hängt auch damit zusammen, dass viel mehr Projekte eingereicht wurden, als Geld zur Verfügung steht. Aber der grosse Vorteil des Worber Projekts ist es, dass es schon fast baureif ist. Bereits im kommenden Jahr könnte mit dem Bau begonnen werden. Der Kanton plant daher einfach so weiter, als ob es den Vorschlag des ARE nie gegeben hätte.

Die Gemeinde ist schliesslich auch darauf angewiesen, dass die Verkehrssanierung realisiert werden kann. Stichwort Hochwasserschutz: Dessen Realisierung hängt von der Verkehrssanierung ab.

Die beiden Projekte sind eng miteinander verbunden: Um künftige Hochwasser zu vermeiden, soll die Worble offengelegt werden und das Dorf südlich umfliessen. Ist die Worble erst einmal in ihrem neuen Bett, ist dieser Korridor bereits besetzt und die Umfahrungsstrasse Süd könnte nur mit grossem Aufwand gebaut werden. Das bedeutet also, dass wir den Hochwasserschutz ohne die Verkehrssanierung nicht realisieren können.

Das heisst, wenn der Bund kein Geld spricht, ist das der Todesstoss für die Verkehrssanierung und die damit verbundenen Projekte?

Der Kanton hat klar gesagt, dass die Umfahrung und der Hochwasserschutz für ihn von grosser Bedeutung sind. Sollte der Bund nicht zahlen, müssen wir andere Geldquellen finden. Hochwasserschutz und Verkehrssanierung sind für uns äusserst wichtig. Spätestens beim nächsten Hochwasser müssen wir handeln. Es geht gar nicht anders.

Ein weiteres heisses Eisen in Worb ist die Hofmatt. Der Gemeinderat will auf dem Parkplatz Hofmatt eine Überbauung mit Wohnungen, Dienstleistungen und einem Grossverteiler verwirklichen. Gegen die geplante Zonenplanänderung hat ein Komitee das Referendum ergriffen. Sind Sie zuversichtlich, dass das Volk am 17. Mai dem Vorschlag der Exekutive folgen wird?

Ja, ich bin zuversichtlich. Ich werde auch meinen Teil dazu beitragen, dass es noch in die richtige Richtung geht. Ich werde unmittelbar nach den Frühlingsferien Informationsveranstaltungen durchführen – am 20. April in Worb und am 21. in Rüfenacht. Ich will dort genau erläutern, was hinter dem Hofmatt-Projekt steht. Zusätzlich findet ein Podiumsgespräch zum Thema Zonenplanänderung Parkplatz Hofmatt statt.

Fürchten Sie sich davor, dass die Abstimmung auf die Frage Aldi ja oder nein reduziert wird?

Damit wir die Überbauung realisieren können, müssen wir den Parkplatz Hofmatt in den Untergrund verlegen. Dafür braucht es Geld. Ein Grossverteiler könnte das nötige Geld aufwerfen. Dass Aldi da eine Rolle spielt, ist klar. Aldi hat uns auf die Idee gebracht, eine solche Überbauung zu realisieren. Das können wir nicht totschweigen.

Im Mai hätte auch die Sanierung der Sport- und Freizeitanlage Hofmatt vors Volk kommen sollen, doch das Parlament schickte das Geschäft an seiner letzten Sitzung in eine zweite Lesung. Sind Sie enttäuscht?

Ja, ein wenig. Aber für mich ist es wichtiger, dass wir das Geschäft mit einer grossen Parlamentsmehrheit durchbringen und erst dann vors Volk gehen. Denn kommt es im Parlament nur «häb-chläb» durch, wird es das Geschäft auch beim Volk schwer haben. Deshalb werte ich diese Verschiebung nicht negativ. Es gibt mir Gelegenheit, das Projekt nochmals zu erläutern und allfällige Unklarheiten zu bereinigen.

Worb ist nicht auf Rosen gebettet: Die Rechnung 2008 schloss zwar besser ab als budgetiert, der Blick auf die Finanzkennzahlen verrät aber, dass es die schlechteste Rechnung seit Jahren ist. Die Verschuldung ist gestiegen, nicht zuletzt wegen geringerer Steuereinnahmen. Ist in nächster Zeit überhaupt an eine Steuersenkung zu denken?

Die Rechnung beleuchtet die Vergangenheit, der Finanzplan die Zukunft. Anhand der Rechnung würde ich deshalb nie etwas aussagen über allfällige künftige Steuersenkungen. Die Finanzplanung sieht aber vor, dass wir 2012 die Steuern senken können. Mit der neuen Finanzplanung im Herbst wird sich zeigen, was möglich ist.

Welches sind Ihre persönlichen Visionen und Wünsche für die Gemeinde Worb und für Ihre weitere Präsidialzeit?

Besonders am Herzen liegt mir die Realisierung der Umfahrungsstrasse. Ich hoffe sehr, dass der Bund bei der Finanzierung hilft. Natürlich sind auch die Hofmatt-Überbauung, die dringend nötige Sanierung der Sportanlage sowie die rasche Umsetzung der Hochwassermassnahmen grosse Anliegen von mir. Kurz und gut: Ich will alle Geschäfte durchbringen.


Das Urteil der Parteien: "Mann der Mitte" spaltet

Lob aus dem bürgerlichen, Tadel aus dem linken Lager: Über den neuen Gemeindepräsidenten gehen die Meinungen der Worber Parteien auseinander.


Im Wahlkampf konnte sich Niklaus Gfeller (evp) nebst den Stimmen seiner eigenen Partei offiziell die Unterstützung von SP und Grünen sichern. 100 Tage nach Amtsantritt ziehen ausgerechnet die linken Parteien eine eher durchzogene Bilanz zu Gfellers bisheriger Tätigkeit. Die SP attestiert ihm zwar, gute Kenntnis der Dossiers zu haben und ein «grundehrlicher Mensch» zu sein. Gfeller sei aber als Gemeindepräsident eher «farblos» und habe keine Visionen für Worb, sagt SP-Kopräsident Christoph Moser.

Auch die Grünen sind mit dem «Mann der Mitte» nicht so richtig glücklich: «Wir sind enttäuscht über Gfellers Position zur Hofmattabstimmung», sagt Parteipräsidentin Barbara Rebsamen. Sie vermisse die im Wahlkampf angekündigte Bürgernähe Gfellers und den Kontakt zur politischen Basis. «Der lässt noch auf sich warten.» Gfeller habe jedoch einen schwierigen Einstand gehabt, habe er sich doch intensiv mit der Frage der Verkehrssanierung, dem Hochwasserschutz und der Hofmatt befassen müssen. Angesichts dessen sei es schwierig, bereits jetzt ein Urteil zu fällen.

FDP: Nagelprobe steht noch bevor

Die FDP als stärkste Partei im Worber Parlament stellt Niklaus Gfeller indes ein gutes Zeugnis aus. Gfeller sei ein «Mann des Gesprächs», sagt Parteipräsidentin Maja Widmer-Trimaglio. Er versuche bei den einzelnen Sachgeschäften zwischen den Parteien zu vermitteln und konstruktiv nach Lösungen zu suchen. Stocke der Entscheidungsfindungsprozess, so hole Gfeller die Parteipräsidenten an einen Tisch. Anders als die Grünen ist Widmer der Ansicht, dass sich Gfeller nicht nur in der Politik als Mittelsmann einsetze, sondern auch den Dialog zur Bevölkerung suche. «Niklaus Gfeller geht zu den Leuten hin. Er hockt nicht nur im Gemeindehaus, sondern informiert aktiv über anstehende Geschäfte.» Widmer attestiert Gfeller zwar, die bisherigen politischen Hürden gut genommen zu haben, die eigentliche Nagelprobe stehe aber noch bevor: die Lösung des «gordischen Knotens» Verkehrssanierung, die Abstimmung zur Zonenplanänderung Hofmatt und die damit verbundene Aldi-Frage.

Bei den anstehenden Grossprojekten werde Gfeller «in höchstem Masse gefordert sein, wichtige Eckpfeiler zu setzen», sagt auch Martin Wälti, SVP-Präsident. Die SVP erwarte, dass der Gemeinderat und insbesondere der Gemeindepräsident richtungsweisende Entscheide fälle und diese auch umsetze. «Es sollte nicht so weit kommen, dass der Gemeindepräsident von der Verwaltung geführt wird und die wichtigen Entscheide in der Verwaltung getroffen werden.» Die ersten 100 Tage hat Gfeller nach Auffassung der SVP aber sicher «gut überstanden und auch erfüllt».

Ein Artikel aus

www.worb.ch

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Lisa Stalder, Simona Benovici, "Der Bund"
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Erstellt: 14.04.2009
Geändert: 14.04.2009
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