Worb - Er würgte ein Kind am Bahnhof

Ein Hilfsarbeiter hat einen 14-jährigen Knaben in Worb beinahe getötet. Gestern verurteilte ihn das Kreisgericht Konolfingen.

Simon Bickel, Berner Zeitung BZ
Der Vorfall, der dem Knaben Albträume beschert, ereignet sich im September 2006. Der Knabe ist 14-jährig und besucht die Schule in Worb. An einem verhängnisvollen Donnerstagnachmittag geht er zum Bahnhof, wo er auf das Postauto wartet. Freunde seines Bruders begleiten ihn. Sie treffen auf einen Mann, 29-jährig, Hilfsarbeiter, einen, der sich oft am Bahnhof aufhält und den man in Worb kennt. Es kommt zu einem Gespräch, dann zu einem Streit. Der Hilfsarbeiter sagt dem Knaben, er sei fett, der Knabe antwortet, der Hilfsarbeiter sei behindert. Der Mann packt den Knaben mit beiden Händen am Hals, drückt, presst ihn gegen ein Auto. Dem Jungen wird schwindlig. Er hat Blutstauungen. Erst als seine Freunde einschreiten, lässt der Hilfsarbeiter los.

Nach der Attacke stellen die Rechtsmediziner fest, dass der Knabe beinahe gestorben wäre. Bleibende Schäden trägt er nicht davon. Er hat aber Angst, alleine zu schlafen.

Der Täter ist geständig, doch Reue zeigt er nicht. Er sagt: «Ich wollte nur, dass er ein wenig Respekt vor mir zeigt.» Gestern hat das Kreisgericht Konolfingen den Hilfsarbeiter wegen Gefährdung des Lebens verurteilt. Zudem wird er bestraft, weil er mehrmals ohne Billett Zug gefahren ist und weil er einen verbotenen Schlagring mit sich getragen hat. Er bekommt eine bedingte Freiheitsstrafe von 14 Monaten.

Er lässt sich provozieren

Der Täter verbringt einen grossen Teil seines Lebens in Worb. Er besucht die Kleinklasse, sein Vater prügelt ihn. Die Lehre zum Maurer bricht er nach zwei Jahren ab, dann schlägt er sich als Hilfsarbeiter durch. Er ist ein Aussenseiter. Viele Leute in Worb beschreiben ihn als «lieben Siech». Wenn er sich aber provozieren lässt, wird er gefährlich. Nach dem Würge-Angriff auf den Knaben verübt der Hilfsarbeiter am Bahnhof Worb weitere Tätlichkeiten. Heute hat er das Dorf verlassen, lebt in einer 1½-Zimmer-Wohnung, arbeitet drei bis vier Tage pro Woche und verdient netto rund 2300 Franken im Monat. Laut dem psychiatrischen Gutachten ist die Gefahr gross, dass er wieder ausrastet.

«Ein grober Holzklotz»

Vor Gericht erscheint der Hilfsarbeiter in schwarzen Faltenhosen und Kittel. Kurze Haare. Seine Antworten auf die Fragen der Richter sind selten länger als zwei Sätze. Laut seinem Verteidiger hat er einen IQ von 53. Gerichtspräsident Hans Zwahlen sagt: «Er ist ein grober Holzklotz. Es dauert lange, bis er etwas begreift.»

Das Kreisgericht Konolfingen sieht davon ab, eine stationäre psychiatrische Therapie anzuordnen. Denn es bezweifelt, dass der Hilfsarbeiter mit seiner «Minderintelligenz» davon profitieren würde. Auch eine unbedingte Gefängnisstrafe kommt für das Gericht nicht in Frage. Gerichtspräsident Zwahlen erklärt: «Ein Strafvollzug wäre nicht Erfolg versprechend. Die Mitgefangenen würden ihn provozieren, und es käme zu Schlägereien.»

Das Gericht setzt auf die Bewährungshilfe. Und es verpasst dem Täter einen «Denkzettel»: Der Verurteilte muss 272 Stunden gemeinnützige Arbeit verrichten.

Ein Artikel aus der

www.worb.ch

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Simon Bickel, Berner Zeitung BZ
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Erstellt: 28.05.2009
Geändert: 28.05.2009
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