Worb - Der grosse Zank um die Kollegialität
Gemeindepräsident Niklaus Gfeller (EVP) will den Gemeinderäten ein Ja zum Kollegialitätsprinzip abringen. Aber: Haben es die Wiedergewählten in der abgelaufenen Legislatur tatsächlich verletzt?
Nach seiner Wiederwahl vor zehn Tagen beschwor Niklaus Gfeller (EVP) die Kollegialität des Gemeinderates. Von jedem Mitglied sei ein Bekenntnis zu diesem nötig, sagte er. Der Rat müsse wieder als Team auftreten. Seine Worte waren ein klarer Wink an die frisch gewählten Gemeinderäte. Drei von ihnen hatten im Wahlkampf an einer Medienkonferenz die Unterstützung von Gegenkandidat Jonathan Gimmel (SP) bekannt gegeben und Gfellers Amtsführung kritisiert. In einer Medienmitteilung und später in einem Interview mit dieser Zeitung pochte Gfeller nochmals auf die Kollegialität und bekräftigte seine Absicht, die gewählten Gemeinderäte zum Team zu verpflichten. Das Kollegialitätsprinzip (siehe Kasten) ist in Worbs Politik in aller Munde. Doch was bedeutet es? Wann wird es verletzt? Auch die wiedergewählten Gemeinderäte stellen sich solche Fragen.
Suche nach Gründen
Einer von ihnen ist Guy Lanfranconi (FDP). Ihn stören die Verlautbarungen Gfellers: «Wenn das Kollegialitätsprinzip verletzt worden sein soll, muss man das klären», sagte er gestern. «Am besten klärt man das im Team und informiert danach die Medien. Im Moment läuft es leider umgekehrt.» Deutlich pointierter geäussert und Gfellers Vorstellung von Kollegialität hinterfragt hatte er sich Ende letzter Woche gegenüber dieser Zeitung. Diese Aussagen hat er nun grösstenteils zurückgenommen, sei es als Folge von Parteigesprächen, sei es wegen der Gemeinderatssitzung von Montagabend. Dort wurde das Thema am Rande gestreift, wie Niklaus Gfeller bestätigt. Offenbar hält sich Lanfranconi ans Kollegialitätsprinzip: «Ich werde mich erst äussern, wenn ich weiss, was Sache ist.» Er will das angekündigte Einzelgespräch mit Gfeller abwarten.
Vorbehalte sind auch bei Gemeinderat Hanspeter Stoll (FDP) auszumachen: «Ich bin noch unschlüssig, wo die Probleme genau liegen.» Im Gespräch werde er den Gemeindepräsidenten darauf ansprechen. «Es ist sicher gut, dass allfällige Vorwürfe auf den Tisch kommen.» Gfellers unterlegener Gegenkandidat Jonathan Gimmel (SP) will sich zur Debatte nicht äussern. Er kündigt auf Freitag eine Medienkonferenz an. Dort werde er orientieren, sagt er.
Einheit ist auch Schutz
Die Kollegialität ist verletzt, wenn Gemeinderatsmitglieder einen vom Rat gefassten Beschluss in der Öffentlichkeit nicht mittragen. Fällt auch ein Auftritt im Wahlkampf darunter, an dem sich Gemeinderäte für einen Gegenkandidaten aussprechen? Dies sei eine politische Haltung und betreffe das Kollegium nicht direkt, sagt Stefanie Feller, Juristin für Gemeinderecht beim kantonalen Amt für Gemeinden und Raumordnung. Allerdings: «Wie geschickt ein solches Vorgehen für die künftige Zusammenarbeit im Kollegium ist, gerade wenn der Präsident wiedergewählt wird, ist eine andere Frage.» Dass der Gemeinderat gegen aussen als Einheit auftrete, sei wichtig, so Feller, weil die Verantwortung für Entscheide nicht einem Mitglied angelastet werden könne, sondern von allen mitgetragen werde.
Gemeindepräsident Niklaus Gfeller erklärt, nach Kritik an Ratsbeschlüssen habe er die Einheit des Gemeinderates vermisst. «Ich spürte die Loyalität nicht, es war immer klar, wer schuld ist. Die Einigkeit gegen aussen war nicht spürbar.» Der Auftritt der vier Gemeinderäte sei nur eine Episode von mehreren gewesen.
Doch nun will Gfeller nach vorne schauen: «Die künftige Kollegialität ist das Hauptthema der Einzelgespräche mit den Gemeinderäten.»
Die Grundlagen Die Bestimmungen zum Kollegialitätsprinzip von Regierungsgremien sind vielfach nur kurz und kaum erläutert. In der Bundesverfassung heisst es: «Der Bundesrat entscheidet als Kollegium.» Im dazugehörenden Gesetz wird dies ergänzt: «Die Mitglieder des Bundesrates vertreten die Entscheide des Kollegiums.» Für den Berner Regierungsrat gilt: «Als Kollegialbehörde fasst er seine Beschlüsse gemeinsam und vertritt sie gemeinsam gegen aussen.» In der Verwaltungsordnung der Gemeinde Worb findet sich noch ein Zusatz: «Der Gemeinderat fasst und vertritt seine Beschlüsse als Kollegialbehörde. Beabsichtigt ein Ratsmitglied, im Grossen Gemeinderat oder in der Öffentlichkeit eine abweichende Haltung zu vertreten, erklärt es dies an der Sitzung, an welcher der Beschluss gefasst wird, zu Protokoll.»