Willy Graber: "Schwingen soll ein Hobby bleiben"

Am «Mittelländischen» vom Sonntag in Oberbalm ist Willy Graber der Hoffnungsträger des organisierenden Gauverbands. Der 31-jährige Bolliger spricht über Geld, seinen schweren Unfall in der Kindheit und sagt: «Ich bin ein Draufgänger.»

Interview: Philipp Rindlisbacher, Berner Zeitung BZ

Kann Willy Graber Schwingerkönig werden?

Willy Graber: Ja, das kann er. (überlegt)

Aber?

Aber das können 20 andere auch – sofern alles gut für sie läuft.

Die Saison 2016 steht im Zeichen des «Eidgenössischen». Welchen Stellenwert hat für Sie Ihr Heimfest, das «Mittelländische», vom Sonntag in Oberbalm?

Es ist ein Formtest, mein letztes Kranzfest liegt fast ein Jahr zurück. Weil ich der Leader der Mittelländer bin, werden viele Augen auf mich gerichtet sein. Aber man sollte das nicht überbewerten – Schwingen ist ein Einzelsport, ich kämpfe für mich. In unserem Gauverband fehlt es ein wenig an der Breite, das stelle ich ab und zu an der Qualität der Trainings fest.

Vor Jahresfrist erlitten Sie einen Kreuzbandriss. Zwei Monate später stiegen Sie am «Mittelländischen» in Richigen dennoch in die Zwilchhosen. Würden Sie das wieder tun?

Ich wohnte zwei Jahre dort, deshalb war das Fest für mich besonders wichtig. Viele befürchteten, die Verletzung würde sich verschlimmern, sagten, ich sei unvernünftig. Ich fand mein Vorgehen vernünftig. Ich wurde Zweiter, die Zuschauer waren happy.

Apropos Zuschauer: Seit Jahren gelten Sie als Publikumsliebling. Haben Sie eine Erklärung dafür?

Mit 181 Zentimetern bin ich eher klein. Dazu schwinge ich offensiv und gerne am Boden, zeige Schwünge, die sonst keiner zeigt. Ich bin ein Draufgänger, verliere darum ab und zu einen Gang, den ich vielleicht nicht zwingend verlieren müsste. Aber die Leute sehen das gerne. Als mich am Kilchberg-Schwinget sogar die Fans aus den anderen Teilverbänden aufforderten, die Welle zu machen, war das eine riesige Ehre.

Wer Ihre Website aufruft, hört Ländlermusik im Hintergrund...

... das höre ich am liebsten, auch Jodelgesang gefällt mir. Ich mag es urchig und bodenständig.

An Ihrer Hochzeit aber war das Schweizer Fernsehen dabei, als Sie erstmals Vater wurden, berichtete die Sendung «Glanz und Gloria» darüber. Fühlen Sie sich als Prominenter?

Wo denken Sie hin? Ich suche die Öffentlichkeit nicht. Aber ab und zu muss man etwas von sich preisgeben. Auch ich habe Sponsoren, brauche aber keinen Berater. Schwingen ist für mich ein Hobby geblieben – Schwingen soll grundsätzlich ein Hobby bleiben.

Der Schwingsport boomt seit Jahren, es kommt immer mehr Geld ins Spiel. Stört Sie das?

Ich habe etwas Mühe damit, dass die Chancengleichheit nicht mehr vorhanden ist. Der eine oder andere Jungschwinger hat heutzutage schon gewaltige Vorteile gegenüber seinen Konkurrenten. Das passt mir nicht, es ist nicht mehr fair.

Viele Spitzenschwinger arbeiten im Teilzeitpensum. Spielen Sie mit dem Gedanken, kürzerzutreten?

Ich arbeite zu 80 Prozent als Dachdecker, betreibe einen Bauernhof. Ohne gute Frau an der Seite ginge das nicht, auch der Vater packt an. Ich könnte nun auf der Büez reduzieren, aber das wäre nicht sinnvoll. Dann würde ich einfach auf dem Hof noch stärker eingespannt. Ich bin ein Arbeiter, auch was das Schwingen betrifft. Andere haben mehr Talent.

Worauf gründet Ihr Kämpferherz?

Bei fünf Buben gab es zu Hause viele Hahnenkämpfe. Ab und zu «tätschte» es gewaltig – da lernte ich, mich zu behaupten. Die Schule bedeutete mir nicht viel, ich musste in die Kleinklasse. Aber während der Dachdeckerlehre hatten die Sekundarschüler keine besseren Noten als ich. Das zeigt: Wenn man etwas unbedingt erreichen will, dann schafft man das.

Sie waren 4-jährig, als Ihnen Ihr Vater mit dem Auto über den Kopf fuhr – inwiefern hat Sie das geprägt?

Ich brach mir den Schädel, war in Lebensgefahr. Womöglich hat das abgehärtet, vielleicht kämpft man später noch mehr, wenn man so etwas erlebt hat.

Zurück zum «Eidgenössischen»: 2007 in Aarau lagen Sie nach dem ersten Tag in Führung...

... ich schlief danach unruhig.

Sie wurden Achter – spielten Ihnen die Nerven einen Streich?

Ich war damals ein Jungspund. Heute würde ich mit der Situation sicher anders umgehen.

Werden Sie in Estavayer letztmals auf ganz grosser Bühne antreten?

Im Hinterkopf denke ich bis 2019. Aber klar: Verletzte ich mich nochmals gravierend, ist Schluss.

[i] "MITTELLÄNDISCHES"

Vorjahressieger Christian Stucki (vier Wochen Pause) verzichtet verletzungsbedingt auf eine Teilnahme, Matthias Sempach und Kilian Wenger sind nicht gemeldet. So fehlt am «Mittelländischen» in Oberbalm vom Sonntag das herausragende Berner Trio. Dennoch sind zehn eidgenössische Kranzschwinger mit von der Partie – der Emmentaler Thomas Sempach hat sich nachträglich eingeschrieben. Ebenfalls mittun können Florian Gnägi und Thomas Zaugg, die zuletzt angeschlagen waren.

Sechs Gäste aus der Südwestschweiz – ohne den rekonvaleszenten «Eidgenossen» Michael Nydegger – komplettieren das Feld der 217 Aktiven. Der Wettkampf beginnt am Sonntag um 8.15 Uhr, der Schlussgang ist für 16.30 Uhr vorgesehen. Auf www.bernerzeitung.ch ist ein Resultatticker ersichtlich. Tags zuvor wird der Mittelländische Nachwuchsschwingertag ausgetragen.

Spitzenpaarungen 1. Gang: Matthias Siegenthaler Bernhard Kämpf. Florian Gnägi Thomas Zaugg. Willy Graber Niklaus Zenger. Matthias Glarner Hansruedi Lauper. Simon Anderegg Thomas Sempach.


Autor:in
Interview: Philipp Rindlisbacher, Berner Zeitung BZ
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Erstellt: 06.05.2016
Geändert: 06.05.2016
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