Wichtrach - «Heimatlosigkeit ist mein Kapital»
Die Galerie Henze & Ketterer in Wichtrach lädt «Zum 80. Geburtstag» Daniel Spoerris. Den Künstler selber interessiert der Blick zurück nicht sonderlich – ihn reizt immer noch das Neue und Unbekannte.
Alice Henkes / Der Bund
Das sinnliche Vergnügen des Essens inspiriert ihn ebenso wie die Doppeldeutigkeiten der Sprache. Unter dem Credo «Kunst ist Leben, Leben ist Kunst» verwandelt Daniel Spoerri Fundstücke und ausgefallen dekorierte Diner-Tafeln in Assemblagen.
Begonnen hat Daniel Spoerri, Mitbegründer der Gruppe der Nouveaux Réalistes, als Tänzer in Bern. Geboren am 27. März 1930 in Rumänien, wächst Spoerri in der Schweiz auf und studiert bis 1952 Tanz in Paris. Es folgt ein Engagement am Stadttheater Bern, wo er auch inszeniert. Lange bleibt er nicht. 1959 geht er als Tänzer nach Darmstadt, 1960 entstehen in Paris die ersten Assemblagen.
Eat goes Art
Schöpft Daniel Spoerri seine ersten Arbeiten noch aus der Hand des Zufalls, so tritt bald ein inszenierendes Moment hinzu. Für seine Tische, Spoerris Markenzeichen, arrangierte er üppige Diners. Auf ein Zeichen müssen die Gäste das Essen beenden, Bestecke, Dekorationen, Essensreste werden fixiert und konserviert. Schmackhaft waren die Spoerri-Diners nicht immer. Galeristin Ingeborg Henze-Ketterer denkt mit einigem Unbehagen zurück an hundertjährige chinesische Eier bei einem von zehn Diners, die Spoerri im Frühjahr 2002 in der Pariser Galerie Nationale du Jeu de Paume veranstaltete.
Auch in seinen Kunst-Kochbüchern und dem 1968 in Düsseldorf eröffneten «Restaurant Spoerri» dominieren kulinarische Experimente. Seit 1990 unterhält Spoerri in der Toskana einen weitläufigen Skulpturengarten mit Arbeiten befreundeter Künstler. Zur Ruhe kommt einer wie Daniel Spoerri auch in der Toskana nicht. Seit einigen Jahren lebt er meist in Wien. «Meine Heimatlosigkeit ist mein Kapital», sagt Spoerri. Die mangelnde Sesshaftigkeit wie auch Spoerris geistige Quecksilbrigkeit gefallen im behäbigen Bern allerdings nicht jedem.
Das Kunstmuseum Bern verzichtete kurzerhand auf eine Ehrung des Nouveau Réaliste. Nun richtet das Galeristenpaar Wolfgang Henze und Ingeborg Henze-Ketterer, Daniel Spoerri und seinem Schaffen seit langer Zeit eng verbunden, dem bedeutenden Künstler eine Schau «Zum 80. Geburtstag» ein.
Idyllen mit Skeletten
Eine Retrospektive kann die Ausstellung von Daniel Spoerri aus nahe liegenden Gründen nicht sein. Eine Galerie muss mit dem arbeiten, was auf dem Markt ist. Und das sind vor allem Assemblagen aus den 80er- und 90er-Jahren, einige Tische, darunter mehrere aus der Sevilla-Serie 1991. Raumgreifend ist das Arrangement mit Hechtkeramik und gewaltigem Sägefisch-Unterkiefer. Daneben befindet sich eine Reihe «Détrompe-L’œil»-Arbeiten, für die Spoerri Landschaftsidyllen mit Tierknochen in bizarre Gegenden verwandelte.
Daniel Spoerri selbst interessiert der Blick zurück auf sein Werk nicht sonderlich, ihn reizt immer noch das Neue, Unbekannte. Jüngst hat er in Hadersdorf am Kamp im Umland Wiens einen Ausstellungsraum und das Esslokal «Eat Art» eingerichtet. Auch die Hoffnung auf Nachruhm ist dem Künstler fremd: «Ich gucke doch später nicht aus einem Fensterchen herab auf die Erde», kommentiert er amüsiert entsprechende Vorstellungen. Seine Kunst hat er auch nie als eine Trittleiter ins Metaphysische verstanden. Vor den Karren der spirituell angehauchten Sinnstiftung, die beim Kunstpublikum gerade wieder sehr gefragt ist, lässt ein gewitzter Kopf wie Daniel Spoerri sich nicht spannen.
Galerie Henze & Ketterer, Wichtrach. Die Ausstellung dauert bis zum 24. Juli.
Begonnen hat Daniel Spoerri, Mitbegründer der Gruppe der Nouveaux Réalistes, als Tänzer in Bern. Geboren am 27. März 1930 in Rumänien, wächst Spoerri in der Schweiz auf und studiert bis 1952 Tanz in Paris. Es folgt ein Engagement am Stadttheater Bern, wo er auch inszeniert. Lange bleibt er nicht. 1959 geht er als Tänzer nach Darmstadt, 1960 entstehen in Paris die ersten Assemblagen.
Eat goes Art
Schöpft Daniel Spoerri seine ersten Arbeiten noch aus der Hand des Zufalls, so tritt bald ein inszenierendes Moment hinzu. Für seine Tische, Spoerris Markenzeichen, arrangierte er üppige Diners. Auf ein Zeichen müssen die Gäste das Essen beenden, Bestecke, Dekorationen, Essensreste werden fixiert und konserviert. Schmackhaft waren die Spoerri-Diners nicht immer. Galeristin Ingeborg Henze-Ketterer denkt mit einigem Unbehagen zurück an hundertjährige chinesische Eier bei einem von zehn Diners, die Spoerri im Frühjahr 2002 in der Pariser Galerie Nationale du Jeu de Paume veranstaltete.
Auch in seinen Kunst-Kochbüchern und dem 1968 in Düsseldorf eröffneten «Restaurant Spoerri» dominieren kulinarische Experimente. Seit 1990 unterhält Spoerri in der Toskana einen weitläufigen Skulpturengarten mit Arbeiten befreundeter Künstler. Zur Ruhe kommt einer wie Daniel Spoerri auch in der Toskana nicht. Seit einigen Jahren lebt er meist in Wien. «Meine Heimatlosigkeit ist mein Kapital», sagt Spoerri. Die mangelnde Sesshaftigkeit wie auch Spoerris geistige Quecksilbrigkeit gefallen im behäbigen Bern allerdings nicht jedem.
Das Kunstmuseum Bern verzichtete kurzerhand auf eine Ehrung des Nouveau Réaliste. Nun richtet das Galeristenpaar Wolfgang Henze und Ingeborg Henze-Ketterer, Daniel Spoerri und seinem Schaffen seit langer Zeit eng verbunden, dem bedeutenden Künstler eine Schau «Zum 80. Geburtstag» ein.
Idyllen mit Skeletten
Eine Retrospektive kann die Ausstellung von Daniel Spoerri aus nahe liegenden Gründen nicht sein. Eine Galerie muss mit dem arbeiten, was auf dem Markt ist. Und das sind vor allem Assemblagen aus den 80er- und 90er-Jahren, einige Tische, darunter mehrere aus der Sevilla-Serie 1991. Raumgreifend ist das Arrangement mit Hechtkeramik und gewaltigem Sägefisch-Unterkiefer. Daneben befindet sich eine Reihe «Détrompe-L’œil»-Arbeiten, für die Spoerri Landschaftsidyllen mit Tierknochen in bizarre Gegenden verwandelte.
Daniel Spoerri selbst interessiert der Blick zurück auf sein Werk nicht sonderlich, ihn reizt immer noch das Neue, Unbekannte. Jüngst hat er in Hadersdorf am Kamp im Umland Wiens einen Ausstellungsraum und das Esslokal «Eat Art» eingerichtet. Auch die Hoffnung auf Nachruhm ist dem Künstler fremd: «Ich gucke doch später nicht aus einem Fensterchen herab auf die Erde», kommentiert er amüsiert entsprechende Vorstellungen. Seine Kunst hat er auch nie als eine Trittleiter ins Metaphysische verstanden. Vor den Karren der spirituell angehauchten Sinnstiftung, die beim Kunstpublikum gerade wieder sehr gefragt ist, lässt ein gewitzter Kopf wie Daniel Spoerri sich nicht spannen.
Galerie Henze & Ketterer, Wichtrach. Die Ausstellung dauert bis zum 24. Juli.