Walkringen - Das Schaf, das zum Haustier wurde

Auf dem Bauernhof der Familie Schneider lebt ein ungewöhnliches Schaf. Es versteht sich nicht mit dem Rest der Herde, frisst Katzenfutter statt Gras und benimmt sich wie ein Hund.

Pia Scheidegger, Berner Zeitung BZ
«Meite» liegt zusammengerollt vor dem Bauernhof der Familie Schneider. Sie hat sich einen schattigen Platz für ihren Mittagsschlaf ausgesucht. Plötzlich nähert sich vom Feld ein Traktor. Hofbesitzer Andreas Schneider steigt aus. Sofort springt das Tier auf und begrüsst ihn. Nein, «Meite» ist keine Hündin. Sie ist ein Lämmchen. Das Schaf kam im Januar zur Welt und wäre nach seiner Geburt beinahe gestorben. Da es zehn Tage zu früh geboren wurde, gab die Mutter keine Milch.

Die Familie Schneider hat sich deshalb entschieden, «Meite» mit dem Schoppen grosszuziehen. «So konnte dem Lämmchen das Leben gerettet werden», sagt Andreas Schneider und streicht ihm übers Fell. Bis im März hat «Meite» in der Küche des Bauernhauses gelebt. «Eigentlich wollten wir sie wieder zurück zur Herde bringen, sobald es wärmer wurde», sagt Andreas Schneider. Doch das Lamm habe sich nicht mit den anderen Schafen verstanden. Während dreier Wochen hat der Bauer «Meite» immer zur Fütterung der Schafherde mitgenommen. «Sie ist jedoch immer wieder vor ihren Artgenossen zurückgeschreckt», sagt er.

«Meite» nascht Katzenfutter

Mittlerweile ist das aussergewöhnliche Schaf der Familie Schneider stark genug dazu, im Stall zu übernachten. Dort kuschelt es sich zusammen mit den Hofkatzen ins Heu. Frisst «Meite» wenigstens wie die anderen Schafe? «Nein, siemag Grasnicht besonders. Sie nascht jedoch oft Katzenfutter», antwortet Andreas Schneider und lacht. Zusätzlich erhalte das Lamm immer noch dreimal pro Tag einen Schoppen. Das wäre zwar nicht mehr nötig, doch «Meite» sei überhaupt nicht zufrieden ohne ihre tägliche Portion Milch. «Wenn ich um 6 Uhr aufstehe, schreit sie so lange, bis sie ihren Schoppen erhält», sagt der Bauer und fügt hinzu: «Das ist herzzerreissend.»

Nur Unsinn im Kopf

Wenn «Meite» nicht gerade schläft oder frisst, hat sie nur Unsinn im Kopf. Sie nimmt alles in den Mund, was ihr in die Quere kommt. «Kürzlich hat sie unsere Geranien gefressen», sagt Andreas Schneider und deutet auf die Überbleibsel der Blumen. Manchmal werde das Schaf übermütig und hüpfe über den ganzen Hof. «Meite» spiele ausserdem gernemit derHofkatze Schnappi. «Die beiden sind mittlerweile Freunde geworden», so der Bauer weiter. Ist es artgerecht, ein Schaf auf diese Weise grosszuziehen? «Nein, wahrscheinlich nicht. Das Lämmchen lebt völlig anders als der Rest der Herde», sagt Andreas Schneider. Unter natürlichen Umständen hätte es jedoch keine Überlebenschancen gehabt.Vielleicht starte die Familie im Herbst noch einen Versuch, «Meite» unter Ihresgleichen zu bringen. «Bis dahin können jedoch wir ihre Herde sein.»

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Erstellt: 20.05.2015
Geändert: 20.05.2015
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