Südanflüge: Münsingen misstraut der Alpar

Färbt die Flughafenbetreiberin Alpar nicht etwas gar schön? Am Infoabend in Münsingen war die Skepsis gross, dass es nur bei den in Aussicht gestellten 8 bis 10 Anflügen pro Tag bleibt.

Stephan Künzi, Berner Zeitung
«Wir haben es Ihnen ja bereits dargelegt.» Mathias Häberli wiederholte den Satz an diesem Infoabend gleich mehrmals. Der  Direktor der Flughafenbetreiberin Alpar war angetreten, um sich den Fragen der Münsingerinnen und Münsinger zu stellen. Seit vor knapp einem Monat bekannt geworden ist, dass der Flughafen im Belpmoos auch von Süden angeflogen werden soll, herrscht im Zentrum des Aaretals Aufregung. Weil Anflüge Lärm bringen und man, so der Tenor, davon schon genug habe.
        

Weit über 500 Leute drängten sich in den Schlossgutsaal, um zu hören, was Häberli und der mit der Planung betraute Ingenieur Peter Jaberg zu sagen hatten. So viele jedenfalls, dass Gemeindepräsident Beat Moser (Grüne) zu Beginn des Abends nach einem Blick in die Runde trocken feststellte: «Wir  haben im ganzen Haus 515 Stühle – und nicht einen mehr.» Gut eine Stunde lang hatten Häberli und Jaberg referiert, nun war die Zeit für Fragen da – und Häberli musste feststellen, dass seine Botschaften nicht oder nur zum Teil angekommen waren. So wollten die Anwesenden wissen, wie tief die Flugzeuge in Zukunft über ihre Häuser fliegen würden. Und ob  sie mittel- bis langfristig nicht doch mit sehr vielen Überflügen  rechnen müssten.

        

Dabei hatten die beiden zuvor mehrfach betont, und sie erklärten es jetzt noch einmal: Über der Erlenau seien die Flugzeuge noch immer 370 Meter über Boden und damit etwa auf der Höhe des  nahen Belpbergs unterwegs. Und von mehr als durchschnittlich 8 bis 10 Südanflügen pro Tag müsse man nicht ausgehen. Diese Zahl lasse sich aus den 75 000 Bewegungen ableiten, die der Bund dem Flughafen überhaupt zugestehe. Aus diesem Korsett, wie sie es nannten, könne sich die Alpar nicht einfach so befreien.

        

Zahlen über Zahlen

        

Flughafenvertreter und Zuhörer redeten in klassischer Art aneinander vorbei. Das hatte auch damit zu tun, dass Häberli und Jaberg alles andere als leichte Kost serviert hatten. Auf zahlreichen Folien präsentierten sie Statistiken, Kurven und Zahlen rund um die Fliegerei im Belpmoos, leiteten daraus die Folgen für Münsingen ab –  vielen brummte ob all der Details und komplizierten Berechnungen der Kopf bald derart, dass sie den Ausführungen nicht mehr folgen mochten.

        

Starts, die nerven

        

Andere dagegen sagten klar, dass sie der Alpar  nicht über den Weg  trauen. Mehr oder weniger offen unterstellten sie ihr, die Zahlen künstlich tief zu halten, warfen ihr sogar vor, falsch gerechnet zu haben. Die Flughafenbetreiberin hatte es sich mit vielen Anwesenden auch ganz einfach verscherzt: Mehrere Votanten kritisierten, dass die nach Süden startenden Flugzeuge plötzlich nicht mehr über dem freien Feld  aus dem Aaretal abdrehten, sondern weiter südlich über den Häusern am Bärenstutz.

        

Häberli versuchte zwar, die Gemüter zu beruhigen. «Wir haben in dieser Frage ein Problem und gehen es an», versprach er – allein, es nützte wenig. Mit  der ersten Abflugwelle um 6 Uhr morgens sei an Schlafen nicht mehr zu denken, klagte die eine. Die Theorie weiche in diesem Gebiet klar von der Praxis ab, bemängelte der andere, denn gemäss den offiziellen Plänen führe der Start nach wie vor nur übers freie Feld. Der Kritiker erzählte von seinem Alltag als Lehrer in einer Stadtberner  Schule direkt unter der heutigen Anflugroute. «Wenn die Flugzeuge kommen, ist  an ein normales Gespräch  im Unterricht nicht mehr zu denken.»

        

Nun die Einspracheflut?

        

Gemeindepräsident Moser seinerseits stellte in Aussicht, Münsingen werde offiziell Einsprache erheben,  «damit wir eine Verhandlungsposition haben». Und informierte gemeinsam mit dem von der Gemeinde beigezogenen Anwalt Urs Eymann darüber, wie sich jeder Einzelne am besten zur Wehr setzen kann: Auf der Bauverwaltung liege eine Mustereinsprache bereit, die helfen könne.

        

So ist schon heute abzusehen, dass sich das Bundesamt für Zivilluftfahrt  als Aufsichtsbehörde auf eine Einspracheflut aus Münsingen gefasst machen muss. In der Bewältigung eines solchen Aktenbergs hat es allerdings bereits Übung: Sobald ein Flughafen in den letzten Jahren Ausbaupläne hegte, hagelte es Einsprachen.

 

 

Alpar bedauert:

Eigentlich hätte die Alpar nicht nur in Münsingen, sondern auch in den anderen betroffenen Gemeinden direkt über den geplanten Südanflug informieren wollen. Bisher sei es dazu nicht gekommen, schrieb die Flughafenbetreiberin gestern in einem Communiqué. "Verschiedene Interessengruppierungen und Gemeindevertreter" hätten vielmehr "Informationsveranstaltungen ohne Einibezug der Gesuchsstellerin" durchgeführt. "Die Alpar bedauert dies sehr." skk

 


Autor:in
Stephan Künzi, Berner Zeitung
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Erstellt: 01.02.2014
Geändert: 01.02.2014
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