Stalden - Die Wildsau, die Jäger und der Zufall

Karl Hofer aus Stalden fand in einer Schachtel alte Fotos. Eines davon erinnerte ihn an eine wahre Geschichte, die sich vor 60 Jahren in Stalden abgespielt hat.

egs / Wochen-Zeitung
«Es war ein recht schöner Tag, im Jahr 1951. Unser Nachbar, Bäckermeister Christian Berger, war am Ofen tätig, als er erfuhr, dass beim Lochenberg-Wald eine Wildsau gesehen worden sei. Die Jäger aus der Umgebung sollten sich rasch oben im Lochenberg versammeln, um diese zu jagen. Auch Christian Berger war ein passionierter Jäger. Er konnte aber seine Bäckerei nicht alleine lassen und musste im Dorf bleiben.

Derweil versammelten sich die andern Jäger mit ihren Hunden oberhalb von Stalden im Lochenberg. Sie teilten sich auf und stapften stundenlang durch den Wald. Ab und zu nahm ein Hund eine Spur auf – aber vergebens. War es eine falsche Information, die sie erhalten hatten? Oder war die Wildsau halt schon über alle Berge? Stundenlang suchten sie, durchstreiften Gebüsche und stapften über Stock und Stein, aber nichts war zu sehen von einem Wildschwein.

Derweil arbeitete Christian Berger in der Backstube, als jemand draussen schrie: ‹E Wildsou, e Wildsou!› Christian Berger rannte aus der Backstube und ergriff sein Jagdgewehr. Die Wildsau rannte auf der Hauptstrasse, der Thunstrasse. Von einem Auto erschreckt, änderte sie ihren Kurs, rammte Liechtis stabilen Gartenzaun und rannte durch den Garten bis zum nächsten Zaun.

Nun stand die Wildsau am sehr stabilen Eisenzaun. ‹Hier ist deine Reise wohl zu Ende›, dachten sich die meisten Beobachter. Doch nein, ein neuer Anlauf, und der Eisenzaun war an einer Stelle ausgebogen. Die Flucht ging weiter – nun durch Fankhausers Garten. Dieser war von einem soliden Maschendrahtzaun umgeben.

Die Wildsau rannte mit dem Kopf in den Zaun – aber dieser federte. Einen Moment lang blieb die Sau stehen, nahm einen neuen Anlauf. Wieder federte der Zaun, obwohl er nun schon leicht lädiert war. Sie blieb stehen und machte sich erneut für einen Angriff bereit – da knallte es.

Die Wildsau ging zu Boden. Christian Berger hatte als geübter Jäger sofort getroffen. Mit einem Karren brachten wir die Wildsau zuerst auf die Terrasse vor dem Bäckerladen. Ich holte meinen Fotoapparat und schoss ein paar Bilder.

Die Geschichte ist hier noch nicht zu Ende. Die Jäger waren immer noch im Wald unterwegs. Und natürlich waren sie ziemlich ‹sauer›, als sie vernahmen, wer diese Wildsau erlegt hatte. Ausgerechnet einer, der nicht stundenlang den Wald durchstreifte, konnte die Wildsau zur Strecke bringen!

Das ärgerte insbesondere den Wirt vom Hotel. Er hatte sich den ganzen Tag vorgestellt, wie er diese Wildsau dann im Restaurant verkaufen könnte, wie die Leute kämen, um bei ihm hiesigen Wildsaupfeffer zu essen. Doch, doch – Berger Christian hatte Erbarmen und verkaufte ihm den grössten Teil der Wildsau günstig, so dass es im Hotel doch hiesige Wildsau-Speisen gab. Das Hotel war schliesslich Kunde vom ‹Staude-Beck›, und so konnte Christian nicht anders, als ihm diese Wildsau billig abzugeben.

Dieses Ereignis war damals in Stalden eine kleine Sensation. Und eine amüsante, wahre Geschichte.»

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Erstellt: 20.10.2011
Geändert: 20.10.2011
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