Schlosswil - Wie aus Äpfeln Champagner gekeltert wird

Die Familie Bärtschi verarbeitet im Herbst etliche Tonnen Äpfel zu Most. Einen Teil veredelt sie dann weiter zu Apfel-Champagner. Bis der Korken knallt, ist viel Arbeit nötig.

Bruno Zürcher / Wochen-Zeitung
Walter Bärtschi sitzt konzentriert auf seinem Traktor und kippt mit dem Frontlader eine Paloxe voller Äpfel in den Dosierbunker. Von da gelangen die Früchte in die Presse, wo der Saft gewonnen wird. Im neu erstellten Raum, in dem die Siebbandpresse, die Abfüllanlage und grosse Tanks stehen, ist in diesen Tagen die ganze Familie beschäftigt. «Die Verarbeitung der Äpfel dauert in der Regel bis Anfang November», erklärt Walter Bärtschi, der auch «Ölibuur» genannt wird. Der Öli-Hof hat seinen Namen einst erhalten, weil dort vor allem aus Nüssen Öl gepresst wurde. Bei der Ölherstellung war Walter Bärtschi nie dabei, hingegen hat schon sein Vater aus Äpfeln Most gewonnen.

Das Interesse des «Ölibuurs» an der Herstellung von Schaumwein wurde in der Ausbildung zum Landwirt geweckt. Er absolvierte seine Lehre auf einem Bauernhof im Welschland, zu dem auch ein Rebberg gehörte. «Die Arbeit in den Reben und im Keller faszinierte mich», berichtet er.

Beim Bauernhaus östlich von Schlosswil stehen keine Reben, sondern Hochstamm-Obstbäume, und so begannen Walter und Jeanette Bärtschi vor Jahren aus Apfelsaft Champagner herzustellen. Sie lasen Fachliteratur, besuchten Messen, tauschten sich mit Kollegen aus und pröbelten. «Ich habe den einen oder anderen ‹Lehrblätz› gemacht», erinnert er sich. Einige Champagner entwickelten einen so grossen Druck, dass die Flaschen zu bersten drohten.

Gären, rütteln,...

Schaumwein herzustellen ist alles andere als einfach: Zunächst werden die Äpfel ganz normal gepresst. Welche Sorten eignen sich besonders? «Eigentlich dieselben Sorten, die sich sehr gut für Apfelsaft eignen», erklärt Bärtschi, «Boskoop, Glockenapfel, Bohnapfel oder Sauergrauech.»

Der frisch gepresste Apfelsaft wird in Kunststoff-Fässern so lange vergoren, bis sich die Hefe abgesetzt hat. Das dauert je nach Temperatur zwischen vier und acht Wochen. «Dann wird der Wein in drei Schritten gefiltert, damit wirklich reiner Apfelwein entsteht», erklärt Walter Bärtschi. Als nächstes wird der Apfelwein wieder mit Hefe und Zucker versetzt, damit die zweite Gärung in Gang kommt, und dann in Flaschen abgefüllt. Noch werden diese nicht mit den charakteristischen Champagner-Korken verschlossen, sondern mit so genannten Kronkorken (ein metallener Deckel mit einer Kunststoffdichtung). Nun entsteht in der Flüssigkeit die für Champagner typische Kohlensäure. «Die Flaschengärung dauert rund 60 Tage», erklärt der Landwirt. Weil auch bei diesem Vorgang Hefe die Klarheit des Weins trübt, kommt das so genannte Rüttelpult zum Einsatz. Mit dieser Maschine werden die Flaschen immer wieder leicht gerüttelt und allmählich auf den Kopf gestellt. Dadurch sammelt sich die Hefe im Flaschenhals an. Ist dieser Vorgang abgeschlossen, wird die Flasche kurz geöffnet und der Hefepfropfen schiesst heraus. «Diesen Vorgang nennt man Degorgieren», führt Walter Bärtschi aus. «Was dieser aus dem Französischen stammende Begriff genau bedeutet, weiss ich gar nicht genau.»

Auch der nächste Produktionsschritt wird mit einem französischen Wort umschrieben: Die Dosage. Diese Flüssigkeit wird vor dem endgültigen Verschliessen der Flasche eingefüllt. «Die Dosage ist das grosse Geheimnis jedes Champagner-Kelterers», sagt Walter Bärtschi, der auch nicht verrät, was seine Beigabe enthält. Sicher ist, dass jeder Dosage Zucker beigemischt wird. Dieser sorgt für die Süsse des Schaumweins. Schliesslich wird die Champagner-Flasche mit dem speziell geformten Korken verschlossen und mit dem Drahtbügel gesichert.

Verkaufsfertig ist die Flasche dann immer noch nicht. Erst muss noch die Etikette angeklebt und die typische, goldene Folie am Flaschenhals angebracht werden.

Nischenprodukt als Standbein

Die Familie Bärtschi stellt pro Saison gut 2000 Flaschen Apfel-Champagner her. «Wir füllen eine Marktnische, man kann die Produktion nicht endlos ausdehnen», sagt Walter Bärtschi. Verkauft werden die Getränke ab Hof und in Geschäften der Region.

Das Mosten und das Keltern bilden im Familienbetrieb der Bärtschis ein wichtiges Standbein. Seit vor rund zehn Jahren die Bag-in-Box (Kunstsoffsack in Kartonkiste) aufgekommen sind, in der Süssmost sehr gut gelagert werden kann, «können wir wieder für mehr Kunden aus ihren Äpfeln Süssmost herstellen», berichtet der «Ölibuur».

Wegen der vielen Arbeit, die im Herbst anfällt, verzichten die Bärtschis auf den Anbau von Kartoffeln. Hingegen wollen die zwölf Kühe und die Kälber, die deren Milch trinken, versorgt sein. «Wir müssen uns gut organisieren und erhalten von Bekannten Unterstützung. Dank des neu gebauten Raumes können wir nun effizienter arbeiten», erklärt der Bauer. «Früher haben wir draussen bei Wind und Wetter gemostet, abgefüllt wurde dann in einem anderen Raum.»

Die Bärtschis sind nicht müde geworden, neue Kreationen auszuprobieren: So haben sie einen Champagner entwickelt, der neben Apfel- auch «einen Schuss» Zwetschgensaft enthält. In einem anderen Produkt werden Holunderblüten beigefügt. «Den Geschmack der breiten Masse zu finden, ist nicht einfach», meint der «Ölibuur». «Ich selber mag kräftige Champagner mit einer ausgeprägten Säure – die meisten aber bevorzugen mildere und süssere Schaumweine.»

Dass der «Champus de pomme» neben dem «richtigen», aus Rebensaft hergestellten Champagner, eher ein Mauerblümchen-Dasein fristet, stört Bärtschi wenig. «Unsere heutige Trinkkultur ist nun mal von Wein und nicht von Apfelprodukten geprägt, wenn auch Süssmost wieder mehr Anhänger findet.» In der Ostschweiz würden Apfel-Getränke weit mehr geschätzt: «Dort wird in einer Beiz schon mal ein Most oder ein anderes Produkt aus Apfelsaft bestellt.» Mit ihren Produkten hoffen Walter und Jeanette Bärtschi dazu beizutragen, dass aus den hiesigen Früchten auch beliebte Getränke entstehen. Davon kann man sich an der «Mostete» am 22. Oktober auf dem Öli-Hof überzeugen.

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Bruno Zürcher / Wochen-Zeitung
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Erstellt: 13.10.2011
Geändert: 13.10.2011
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