Rubigen - Keine "kleine Verwahrung" für Berner Brandstifter

Im letzten Sommer legte ein Mann im Aaretal zwanzig Brände. Jetzt hat ihn das Gericht zu 40 Monaten Gefängnis verurteilt. Von einer Verwahrung sah die Richterin ab.

Johannes Reichen, Berner Zeitung BZ

Ein wegen mehrfacher Brandstiftung angeklagter 53-jährige Schweizer muss für 40 Monate ins Gefängnis. Das Regionalgericht Bern-Mittelland sah davon ab, ihm eine stationäre therapeutische Massnahme aufzuerlegen. Eine solche "kleine Verwahrung" hatte der Staatsanwalt in seinem Plädoyer gefordert.

Bei der Urteilseröffnung am Freitag begründete die Gerichtspräsidentin den Verzicht auf die Massnahme mit der fehlenden Therapierbarkeit des Verurteilten. "Die Therapierbarkeit ist eine selbstverständliche Voraussetzung für eine Massnahme", sagte sie bei der Urteilseröffnung am Freitagvormittag.

Das Gericht musste für das Urteil zwischen zwei divergierenden Gutachten abwägen. Ein psychiatrisches Gutachten plädierte für eine stationäre therapeutische Massnahme. Dies vor allem mit Verweis auf ein hohes Rückfallrisiko.

Auch ein Bericht aus der Strafanstalt Pöschwies, wo der Angeklagte seit Januar einsitzt, geht von einem hohen Rückfallrisiko aus. Allerdings kamen die Verfasser laut der Gerichtspräsidentin zum Schluss, dass der Verurteilte kaum einer Therapie zugänglich sei.

So habe sich das Rückfallrisiko trotz der psychiatrischen Betreuung in einer Spezialabteilung der Strafanstalt nicht gesenkt. Auch eine medikamentöse Behandlung habe keinen Erfolg gebracht. Zudem sei die Therapiebereitschaft des Verurteilten "äusserst rudimentär bis gar nicht vorhanden", umschrieb die Richterin das Gutachten.

"Wir haben ein theoretisches psychiatrisches Gutachten und Einschätzungen aus der Praxis", sagte die Gerichtspräsidentin in der Folge - und schätzte schliesslich die Aussagekraft von letzteren höher ein.

Aus Eifersucht Feuer gelegt

Dem Verurteilten werden rund 20 Vegetationsbrände zur Last gelegt. Er ist - soweit er sich erinnern kann - geständig, mehrere Holzhaufen, Böschungen und Wiesland angezündet zu haben. Der bezifferbare Sachschaden beläuft sich auf gut 11'000 Franken.

Nach den Taten, die er grösstenteils im Sommer 2015 verübt hatte, entfernte er sich nach eigener Aussage auf seinem roten Mofa jeweils schnell vom Tatort. «Ich hatte ein schlechtes Gewissen», sagte er bei der Befragung am Donnerstag.

Die Taten begründete er in erster Linie mit Eifersucht und Unmut - etwa weil ihm in seiner damaligen Wohneinrichtung verboten worden war, einen Traktor zu fahren. Die psychiatrischen Gutachten bescheinigen ihm eine verminderte Intelligenz und verminderte emotionale und soziale Kompetenzen. Der Verurteilte selber verwies zudem auf seine schwierige Kindheit mit einer alkoholkranken Mutter und einem Stiefvater, "mit dem es auch nicht ging".

Überforderung, nicht Boshaftigkeit

Der Staatsanwalt liess in seinem Plädoyer von Donnerstag durchblicken, dass er beim Verurteilten eher Überforderung als Boshaftigkeit vermutet. Trotzdem habe der Angeschuldigte in Kauf genommen, dass Menschen zu Schaden kommen.

"Nur weil die Feuerwehr jeweils so schnell ausrückte und die Brände unter Kontrolle brachte, wurden keine Menschen verletzt und blieb es beim geringen Sachschaden", sagte er. Mehrere der Brände hätten aber durchaus das Potenzial gehabt, Waldbrände auszulösen. "Wir erinnern uns noch alle an den sehr heissen und trockenen Sommer im letzten Jahr." Er forderte deshalb eine 62-monatige Haftstrafe, die zugunsten einer stationären therapeutischen Massnahme aufzuschieben sei.

Verteidiger akzeptiert Urteil

Der Verteidiger hingegen verwies auf die verminderte Intelligenzfähigkeit des Angeklagten. Er forderte eine Haftstrafe von lediglich 14 Monaten und den Verzicht auf eine "kleine Verwahrung".

Der Angeklagte sei in einer stark betreuten und strukturierten Wohneinrichtung besser untergebracht, fand der Verteidiger. "Am besten an einem Ort, an dem er sich landwirtschaftlich betätigen kann." Eine solche Unterbringung sei aber zivilrechtlich zu verordnen. Wie der Verteidiger nach der Urteilseröffnung auf Anfrage sagte, wird er das Urteil akzeptieren.

Der Verurteilte wiederum beteuerte, dass er sich gebessert habe. "Das, was passiert ist, mache ich nicht mehr", sagte er. Er wünsche sich nun aber eine "schönere Zukunft". Das sei ihm zu gönnen, das habe auch sein Psychiater gesagt.


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Johannes Reichen, Berner Zeitung BZ
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Erstellt: 12.08.2016
Geändert: 12.08.2016
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