Regina Sanz-Cea: «Die Menschen in Bern sind heute schöner als früher»
Vor dreissig Jahren gründete die Spanierin das Teatro Español de Berna. Seither probt sie Klassiker in Zäziwil.
Als wäre sie die Königin von Zäziwil höchstpersönlich steht Regina Sanz-Cea am Bahnhof. Sie strahlt mit gutmütigen Augen, wenn sie einen in Empfang nimmt. Als die Spanierin vor fünfzig Jahren von ihrem damaligen Mann gefragt wurde, ob sie nach Düsseldorf oder nach Bern wolle, fiel ihr die Entscheidung leicht. «Ich hatte keine Ahnung von dieser Stadt», erklärt sie mit rauchiger Stimme und Akzent, «aber Bern lag näher bei Spanien».
Als Erstes sei ihr in Bern aufgefallen, dass die Frauen wie «Dienstmädchen» herumgelaufen seien und sich «Hausfrauen» genannt hätten. «Das hat mich schockiert.» War sie selbst doch Tochter des Dichters und Kulturdirektors von Kantabrien Isabelino Cea und hatte eine gute Kinderstube genossen. «Ich konnte nicht kochen. Stattdessen hatte ich Jura studiert. Ich schminkte mich und zog mich schön an, das war selbstverständlich. Aber die Leute dachten wohl, ich sei eine Hure.» Vieles hat sich seither verändert. «Die Menschen in Bern sind heute schöner als früher und ziehen sich besser an als damals.»
Sie sei 75 oder 76 Jahre alt, sagt Regina Sanz-Cea auf dem Weg durch Zäziwil. 1939 sei sie geboren. «Schon mit drei rezitierte ich vor Publikum Gedichte. Von Zahlen hatte ich aber nie eine Ahnung.» Dass sie nach wenigen Jahren ins Emmental übersiedelte, hatte einen einfachen Grund: «Als wir einmal aus dem Nebel in Bern nach Grosshöchstetten fuhren, schien da die Sonne. Und da wollte ich wohnen.» Wieder zurückkehren nach Kantabrien an die Atlantikküste will sie nicht. Sie wisse inzwischen mehr über den bernischen Regierungsrat als über den spanischen Senat. «Und natürlich sind meine Kinder und Enkel in der Schweiz.» Deren Entstehungsgeschichte sei aber «kompliziert».
Sie wohnt in einer regelrechten Villa. «Es ist einsam da, aber alles ist voll von Erinnerungen.» Ihr zweiter Mann, der einstige Dorfarzt von Zäziwil, ist letztes Jahr, 96-jährig gestorben. Sie sei «sehr, sehr glücklich» mit ihm gewesen. «Nur eines hätte ich in all den Jahren ändern wollen: Statt auf den Friedhof hätte ich lieber Aussicht aufs Meer gehabt.» Zu den Zäziwilern, den «einfachen Leuten» hatte sie kaum Kontakt. «Wir waren zu modern. Als ich hierher zog, mochten sie mich nicht, weil ich eine Scheidung hinter mir hatte und Ausländerin war. Im Mittelalter hätten sie mich wohl als Hexe verbrannt.» So schuf sie sich ihr eigenes Netzwerk. Noch heute gibt sie Spanischunterricht und leitet das Teatro Español de Berna, das sie vor dreissig Jahren gegründet hat.
Zur Gründung kam es durch tragische Ereignisse: Eine Bernerin wandte sich mit einem bitteren Anliegen an Regina Sanz-Cea. Deren Sohn war in Kolumbien bei einem Busunfall tödlich verunglückt. Regina Sanz-Cea sollte mit ihren Spanischkenntnissen den Transport des Leichnams in die Schweiz ermöglichen. Wenige Jahre später reisten die beiden, die inzwischen «beste Freundinnen» waren, gemeinsam nach Kolumbien, um sich die Unglücksstelle anzuschauen und sich mit dem Schicksal zu versöhnen. Unverhofft trafen sie dabei auf weiteres Elend.
«Wir sahen, wie sich Kinder prostituieren mussten», sagt sie. «Wir wollten unbedingt etwas dagegen unternehmen.» Das Theater habe schon immer zu ihrem Leben gehört. Also habe sie die Idee gehabt, ein Stück auf die Bühne zu bringen, um Einnahmen für ein Hilfsprojekt in Kolumbien zu generieren. Sie und ein paar befreundete Frauen spielten dann vor dreissig Jahren im Treffpunkt Wittigkofen ihr erstes Stück «La casa de Bernarda Alba». Der «Bund» besprach die Premiere damals in einer Rezension. Nächsten Freitag wird Regina Sanz-Cea in Bern ihr zwanzigstes Stück inszenieren – wie immer wird der Erlös nach Kolumbien fliessen (siehe unten).
Die Villa in Zäziwil ist nicht nur Lager-, sondern auch Proberaum des Laientheaters. Im Obergeschoss sammelt Regina Sanz-Cea die unzähligen Kostüme und Requisiten ihres langjährigen Theaterschaffens. «Hier malträtiere ich die Schauspieler», sagt sie und lacht. «Am Wichtigsten ist mir, dass nichts gespielt ist. Was auf der Bühne geschieht, muss echt sein!» Darum gehe sie auch nicht mehr ins Stadttheater Bern. «Bei Ballettaufführungen stehen sie ja nur nackt auf der Bühne und sprechen, anstatt zu tanzen.» Auch die Opern hätten nichts mehr mit den Originalen zu tun. «Diesem modernen Zeug kann ich nichts abgewinnen.»
Benefiztheater - Das Teatro Español de Berna Der Kanton lehnt einen
Seit 1986 leitet Regina Sanz-Cea das spanischsprachige Teatro Español de Berna. Insgesamt führte sie in allen zwanzig Stücken Regie, war Dramaturgin, Bühnen- und Kostümbildnerin und spielte selbst in jedem Stück mit. Der Erlös und weitere Spenden gingen früher an einen Kindergarten, welchen sie in der Nähe von Pasto in Kolumbien betreiben liess. «Viele der Kinder, die wir damals unterstützten, sind heute Ingenieure und Rechtsanwälte», sagt sie. Heute geht das Geld an Studenten. Nächstes Wochenende findet die Berner Premiere von «La bella Dorotea» von Miguel Mihura statt. Regina Sanz-Cea versichert, dass die Hauptdarstellerin, die Dorotea, auch tatsächlich «wunderschön» sei. Acht Laien stehen dieses Jahr auf der Bühne. Die meisten sind Spanier und sind schon viele Jahre dabei. Regina Sanz-Cea inszeniert vor allem spanische Klassiker und legt Wert darauf, sich nicht zu weit vom jeweiligen Original zu entfernen.
Das Stück «La bella Dorotea» des Teatro Español de Berna wird am 22. und 23. Januar um 19.30 Uhr im Calvinhaus an der Marienstrasse 8 im Berner Kirchenfeldquartier aufgeführt.