Oberthal - Lagen die Väter und Grossväter falsch?

Recherchen des Oberthaler Hobbyhistorikers Thomas Schneider zeigen, dass eine Geschichte, die man sich im Dorf gern und oft erzählt, wahrscheinlich nicht stimmt.

Anina Bundi, anina.bundi@bern-ost.ch

Auf der Blasenfluh treffen sich die drei Gemeinden Oberthal, Lauperswil und Signau. Auf einer Tafel ist dort unter anderem zu lesen, dass 1871 internierte Soldaten der französischen Bourbaki-Armee die Strasse von Zäziwil nach Oberthal gebaut haben.

 

Oder hätten. Denn laut einem Bericht der Berner Zeitung BZ gehört diese Information vermutlich ins Reich der Legenden. Herausgefunden hat das der Oberthaler Landwirt Thomas Schneider. Der BZ erzählte er, warum ihm Zweifel kamen, und wie er sie bestätigen konnte.

 

Jahreszahl am Schulhaus machte stutzig

Stutzig gemacht habe ihn die Jahreszahl 1871 am Schulhaus Känelthal. Dass ein kleines Dorf wie Oberthal im gleichen Jahr eine neue Strasse und ein Schulhaus bauen konnte, kam ihm komisch vor. Im Gemeindearchiv durchforstete er alte Protokolle und fand heraus, dass die Gemeindeversammlung von Oberthal dem Gemeinderat erst 1874 den Auftrag gab, den Bau einer direkten Verbindungsstrasse nach Zäziwil zu planen.

 

Im November desselben Jahres lag eine Kostenschätzung vor, die neue Strasse würde 35’000 Franken kosten und die Arbeiten sollten bald beginnen. Im Dezember 1875 erfuhr die Gemeindeversammlung, dass der Kanton 11’000 Franken an die Strasse zahle.

 

Auch der Urgrossvater zahlte an die Strasse

Auch in den Oberthaler Haushalten wurde Geld gesammelt, hier kamen 16'000 Franken zusammen. Auch Samuel Schneider steuerte 1000 Franken bei. Davon zeugt eine Urkunde, die sein Urenkel Thomas Schneider bei sich auf dem Hof im Spycher fand.

 

Die Bourbaki-Soldaten aber, die waren dann schon lange nicht mehr in der Gegend. Sie kehrten noch 1871, nach sechs Wochen Aufenthalt in der Schweiz, zurück nach Frankreich. Eine Beteiligung der Soldaten am Bau der Strasse, zu diesem Schluss kommen Thomas Schneider und der Journalist der Berner Zeitung BZ, kommt damit „eher nicht in Frage“.

 

Die Infotafel auf der Blasenfluh wurde laut Andreas Steiner, Gemeindepräsident von Oberthal, vor fünf oder sechs Jahren aufgestellt. Oberthal, Lauperswil und Signau bauten damals als Zeichen der Verbundenheit die dortige Feuerstelle aus und stellten Tafeln auf mit Informationen zu den Gemeinden und ihrer Geschichte.

 

Felsenfest überzeugt

Wer die Informationen für Oberthal zusammengesucht hat und wo, weiss Steiner nicht mehr, und es ist auch nicht so wichtig. „Ich weiss, dass die Person felsenfest davon überzeugt war, dass das mit der Strasse stimmt. Wir alle gingen davon aus, das hatten uns die Väter und Grossväter immer so erzählt“, sagt er zu BERN-OST.

 

Wie es zu dieser mutmasslichen Fehlinformation kommen konnte? "Das weiss ich beim besten Willen nicht", sagt Thomas Schneider auf Anfrage. Bekannt ist, dass die Information über die internierten Strassenbauer 1975 von der Heimat- und Familienforscherin Lydia Reucker-Luginbühl in einer ortsgeschichtlichen Schrift fgestgehalten wurde. Diese Schrift sei eigentlich ordentlich recherchiert, sagt Schneider.

 

"Ich bleibe dran"

Um mehr herauszufinden, müsse er wohl "ins Staatsarchiv abtauchen." Wann er dafür Zeit findet, weiss der hauptberufliche Landwirt nicht. "Aber ich bleibe dran."

 

Auch Gemeindepräsident Andreas Steiner ist gespannt auf weitere Informationen. Er werde nun auf jeden Fall noch mehr dazu lesen und selber mit Thomas Schneider sprechen. Ob die Infotafel auf der Blasenfluh korrigiert werden muss, wird sich noch zeigen. „Ich werde das Thema aber sicher aufgreifen.“


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Erstellt: 07.01.2022
Geändert: 07.01.2022
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