OL-Läufer Florian Schneider: EM-Premiere mit Rang 20

Seit dem vergangenen Sommer setzt der ehemalige Junioren-Weltmeister aus Stettlen auf die Karte Spitzensport. Auf BERN-OST lässt Florian Schneider (25) die Leserinnen und Leser in einer Kolumne an seinen Gedanken über den Alltag als Vollzeitsportler teilhaben - wie etwa zu seinen Erlebnissen an der Heim-WM im Tessin.

Florian Schneider

6. Mai, 7.30 Uhr in Comano (TI), das Swiss Orienteering Team sitzt beim Frühstück. Die Stimmung ist locker und freudig aber irgendwie angespannt. Das Essen fällt mir besonders schwer, meine Nervosität steigt und als sonst extrovertierter Mensch bin ich in diesen Augenblicken ziemlich still. Heute ist der Tag – der Tag an dem ich an der Heim-EM starten darf.

Vier Monate lang habe ich mich als Profi im Tessin spezifisch darauf vorbereitet, vor über zwei Jahren die ersten Trainingslager im Tessin gemacht, nur für diesen einen Tag – heute! Es geht los nach Bellinzona, wo die Qualifikation stattfinden wird. Die besten 17 Läufer aus drei «Heats» schaffen je den Einzug in den Final. Man muss also 23 Läufer hinter sich lassen können. Aber das alles soll im Kopf keinen Platz haben. Auf meinem Vorbereitungsblatt steht nichts davon.

Fokus auf Final-Quali

«Spotlight on», Lichtschalter an, Blick nach vorne – Was muss ich machen, wie mache ich dies? Mit diesen Worten begebe ich mich zum Aufwärmen und mit diesen Worten laufe ich die Qualifikation. Bis zum Schluss läuft es super und ich freue mich über Rang 3, nur 6 Sekunden hinter Teamkollege Florian Howald. Ich kann also im Final starten! Es ist nun 12.00 Uhr.

Gut 4.5 Stunden Zeit, bis ich die Wettkampfkleidung wieder anziehe im Final – also möglichst schnell runterfahren, erholen und ablenken. Den Kopf frei bekommen, die Beine hochlegen, dem Körper Energie zuführen (Essen, Trinken). Um 15.00 Uhr geht es wieder los: Abfahrt nach Mendrisio zum Final. Der Final wird live auf SRF übertragen, vor Ort hat es ungewohnt viele Zuschauer, was wir aber bis kurz vor unserem Start nicht zu spüren bekommen.

Gezeichnet – aber zufrieden

Ein zweites Mal einlaufen. Die Gedanken sind wieder auf das Konzept vom Morgen gerichtet: «Spotlight on»: was und wie? Jeder Posten zählt. Unsere Sportart ist komplex, und dennoch reichen diese Worte um den mentalen Zustand vor dem Start zu beschreiben. 17.54 Uhr, ich stehe auf die Startrampe und höre die vielen Fans und Zuschauer schon. Es geht noch 1 Minute bis zum Start!

Noch ein letztes Mal den Körper kurz herunterfahren und dann auf das Startsignal hin förmlich «explodieren»! 15 Minuten, 52 Sekunden später laufe ich über die Ziellinie unter tobenden Schweizer-Fans. Sichtlich gezeichnet vom fordernden Lauf aber auch zufrieden. Am Ende resultiert der 20. Rang. Ein Schweizer-Tag, denn nebst den zeitgleichen Europameistern (Daniel Hubmann, Matthias Kyburz) schaffen alle sieben Schweizer Herren den Sprung in die Top20. Vor mir sind also von 19 Athleten sechs aus dem eigenen Land.

„Genau für diesen Tag trainieren wir“

Es ist 23.00 Uhr, ich bin immer noch wach im Bett und weiss: diesen Tag will ich so oft wie möglich wiederholen können in meinem Leben! Genau für diesen Tag trainieren wir Spitzensportler täglich, kämpfen uns durch Verletzungen und schwere Momente. Ich werde noch mehr Trainings absolvieren, mehr schlechte und gute Tage durchstehen und hoffe, das Podium dann nicht nur von unten sehen zu können. Aber dies zählt jetzt nicht, jetzt zählt nur die Freude über Rang 20 an der Heim-EM 2018 im Tessin!

[i] Siehe auch:

„'Der Lichtschalter fürs Rampenlicht': OL-Läufer Florian Schneider über sein Leben als Profi“ vom 05.04.2018

„Vor der OL-EM: Florian Schneider setzt auf die Karte Spitzensport“ vom 23.01.2018


Autor:in
Florian Schneider
Fehler gefunden?
Statistik

Erstellt: 12.05.2018
Geändert: 12.05.2018
Klicks heute:
Klicks total: