Münsingen - "So haben die Gebäude den Charme einer Staumauer"

Die Parteien befürworten in der Mitwirkung mehrheitlich die Planung im Gebiet Bahnhof West. Doch es gibt auch Kritik, etwa zu den Gebäudehöhen und zur ­Erschliessung.

Johannes Reichen, Berner Zeitung BZ
Eine Reihe oranger Ballone hing kürzlich über Münsingen. Damit wollten die Grünen sichtbar machen, wie hoch neue Gebäude in Bahnhofsnähe werden könnten. Denn der Gemeinde schweben im Entwicklungsgebiet Bahnhof West Bauten mit bis zu acht Stockwerken vor.

«Viele Passanten sind erschrocken über die Höhe», sagt Vizepräsidentin Vera Wenger. Für sie steht fest: «Sieben oder acht Etagen sind zu viel. Sonst haben die Gebäude den Charme einer Staumauer.»In den nächsten Jahren will die Gemeinde das Gebiet westlich des Bahnhofs entwickeln.

Bis zu 440 Wohnungen sollen auf dem Areal gebaut werden, das sich eine Vielzahl von Grundeigentümern teilen. Erstes konkretes Projekt ist ein Alterszentrum mit 100 Wohnungen und 50 Pflegeplätzen beim Bahnhof. Nun führte die Gemeinde eine Mitwirkung zu den Plänen durch. Laut Gemeinderat Andreas Kägi (FDP) gingen 50 ausgefüllte Fragebogen und 14 weitere Stellungnahmen ein.

Unter den Mitwirkenden befanden sich fünf Parteien, zwei Grundeigentümer, sieben Organisationen sowie 50 Privatpersonen. Zu den Inhalten konnte sich Kägi noch nicht äussern. Die Eingaben werden jetzt ausgewertet.

«Wichtige Strasse»

Wie eine Umfrage zeigt, fallen die Reaktionen der Parteien mehrheitlich positiv aus. «Aus dem Gedanken heraus, dass wir haushälterisch mit dem Boden umgehen wollen, unterstützen wir dieses Projekt», sagt SVP-Präsident Urs Baumann. Für die geplante Überbauung wird kein Kulturland beansprucht. Auch die Anbindung an den öffentlichen Verkehr sei ideal.

Unbefriedigend sei dafür die Erschliessung für den Individualverkehr. Das Areal müsse daher unbedingt an die Entlastungsstrasse Nord angeschlossen werden. «Wenn aus der Mehrwertabschöpfung genügend Mittel reserviert werden, damit die Entlastungsstrasse finanziert werden kann, dann unterstützen wir das Entwicklungsgebiet.»

Auch GLP-Präsident Ulrich Dubs betont: «Wichtig ist, dass die Entlastungsstrasse realisiert wird.» Münsingen werde in kurzer Zeit fertig gebaut sein, deshalb seien neue Entwicklungsgebiete gut. Allerdings: «Irgendwann müssen wir uns dann schon die Frage stellen, wie viel Münsingen noch wachsen soll.» Die Grünliberalen hoffen zudem, dass die Gemeinde proaktiv nach möglichen Investoren Ausschau hält. «Das geschieht nicht einfach so.»

«Wir möchten, dass das Quartier erst überbaut wird, wenn die Erschliessung sichergestellt ist», sagt Walter Stamm von der BDP. Sinnvoll ist aus Sicht seiner Partei, dass die Industriestrasse an die Bahnlinie verlegt wird und damit die Lärmquellen gebündelt werden. Anregungen macht die BDP zum geplanten Alterszentrum, zum Beispiel bezüglich der Gebäudeabstände. «Weitere Pflegeplätze mag es in unserer Gemeinde aber durchaus leiden», sagt Stamm.

«Mehr Begegnungsplätze»

Die SP veröffentlichte ihre Stellungnahme auf der Website. Sie befürwortet das geplante Quartier. «Die Nähe zum Bahnhof und zum Zentrum mit den Einkaufsmöglichkeiten ist beste Voraussetzung.» Sie fordert aber mehr Begegnungsplätze, zudem seien «Konzepte für ein verkehrsarmes Quartier» zu prüfen.

Auch die Grünen befürworten ein neues Quartier – trotz der Vorbehalte gegen die Gebäudehöhen. Die Gemeinde müsse aber alle Akteure frühzeitig in die Planung einbeziehen und Planungsverantwortung wahrnehmen. Sie dürfe Investoren nicht einfach «den roten Teppich auslegen», sagt Vizepräsidentin Wenger.

«Minimum an Verkehr»

Nicht an der Mitwirkung teilgenommen haben die EVP, die Freien Wähler, die EDU und die FDP. Dafür liess sich aus Bern die Regionalgruppe Bern des VCS vernehmen. Aus ihrer Sicht ist das Areal ein «Premiumstandort für ÖV-orientierte Nutzungen». Will heissen: Hier könnten Wohnungen und Dienstleitungsangebote «mit einem Minimum an zusätzlichem Autoverkehr» realisiert werden.

[i] Siehe auch Newsbericht "Bahnhof West in Münsingen: Die Grünen liessen Ballone steigen" vom 06.04.2016

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Erstellt: 15.04.2016
Geändert: 15.04.2016
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