Münsingen - Kriminelle Energie im Hotelzimmer

"Di lätz Tür" heisst die neue Theaterproduktion des Berner Sommertheaters, welche bis Ende April im Casino-Theater des Psychiatriezentrums Münsigen gezeigt wird. Die Krimikomödie von Franz Hohler überrascht, entlarvt und unterhält köstlich.

Lilo Lévy-Moser, Berner Zeitung BZ
Wer kennt es nicht, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Im neuen Theaterstück «Di lätz Tür» von Franz Hohler wird das Muster ad absurdum geführt. Das Berner Sommertheater zeigt das Stück noch bis Ende April im Casino-Theater des Psychiatriezentrums Münsingen.

Lustvoll spielt das vierzehnköpfige Ensemble für das Publikum ein temporeiches Potpourri von Irrungen und Wirrungen. Von falschen Realitäten und naiven Gutmenschen, vor denen sich unvermittelt Abgründe auftun. Dabei beginnt alles frohgemut mit einer Hochzeitsgesellschaft. Der Schwiegervater der Braut trumpft mit deplatzierten Sprüchen auf, während seine Ehefrau beschwichtigt. Und das Brautpaar kommt nicht zu seiner Hochzeitsnacht, nur weil es irrtümlich das falsche Hotelzimmer betritt.

Durch die kriminelle Energie, welche die beiden in diesem Zimmer entdecken, werden die frisch Vermählten unvermittelt zu Spurensuchenden. Die etwas naive Braut ist im Dauerkonflikt mit ihrem Gewissen. Wer ist der Täter? Wer das Opfer? Gibt es überhaupt ein Opfer? Auch die herbeigerufenen Polizisten bringen kaum Licht ins Dunkel. Kein Wunder, prangt doch auf ihren Uniformen der Schriftzug Polizei.

Geld korrumpiert

Natürlich geht es bei dem hochzeitsnächtlichen Durcheinander im Hotel um viel Geld. Und bekanntlich korrumpiert Geld. So auch die Protagonisten im Stück. Was die Hierarchiestufe angeht, sind am Schluss jene nicht mehr die, die sie einmal waren. Und die anderen sind jene, die sie immer sein wollten. Oder waren sie am falschen Ort zur richtigen Zeit? Oder umgekehrt? Das sei hier nicht verraten.

Regisseur Walter Stutz lässt seine Darstellerinnen und Darsteller auf einer Hauptbühne und zwei Nebenbühnen spielen. Inszenierungstechnisch agiert er mit verschiedensten Stilmitteln. So lässt er etwa bei schnellen Szenenwechsel die jeweiligen Spielerinnen und Spieler wie einge­froren dastehen. Besonders gut gespielt und witzig sind die pantomimischen Szenen und jene in Slow Motion. Diese nonverbalen Sequenzen, die er mit Franz Hohler abgesprochen habe, habe er zusätzlich ins Stück eingebunden, sagt Stutz.

Dass die gesellschaftspolitische Kriminalkomödie vor dem Hintergrund der aktuellen News rund um die Panama Papers unerwartet noch eine zusätzliche Aktualität bekam, freut Stutz ganz besonders.

Der erste Teil des Stücks krankt zwar etwas an Überlänge, doch das macht der zweite, dynamischere Teil mehr als wett. Gesamtdarstellerisch gesehen agieren alle Protagonisten mit viel Können und offensichtlicher Spielfreude. Dies ist wohl auch dem Inhalt zu verdanken. Charakteristisch für Franz Hohlers Werke ist der Wechsel zwischen politischem Engagement und reiner Fabulierkunst. Oft geht er von feinen Alltagsbeobachtungen aus, die unversehens ins Absurde kippen. Was auch in diesem Stück der Fall ist.

«Di lätz Tür» ist nach «E Summernachtstroum», und «Arsen und Spitzehübli» die dritte und letzte Inszenierung von Walter Stutz für das Sommertheater.

www.bernersommertheater.ch

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Erstellt: 15.04.2016
Geändert: 15.04.2016
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