Mirchel - Mirchels Mühen mit dem Gemeinderat

Zwei Rücktritte und nur ein Ersatz – plagt Mirchels Gemeinderat nicht doch mehr als die allgemeine Politverdrossenheit?

Stephan Künzi, Berner Zeitung BZ
Gottfried Wisler tönte ernüchtert. Mirchel werde ab Neujahr mit einer nur noch vierköpfigen Exekutive auskommen müssen, sagte der Gemeindepräsident vor zwei Wochen an der Winterversammlung.

«Wir haben sehr viele Leute gefragt, ob sie sich für den freien Sitz zur Verfügung stellen, und wir haben sehr viele Absagen erhalten.» Er finde das allgemeine Desinteresse «langsam schade».

Wisler stellte in Aussicht, dass er die Vakanz im eigentlich fünfköpfigen Gremium bis im Frühling ersetzt haben will. Und skizzierte gleich die Folgen für den Fall, dass dies auch länger nicht gelingen sollte.

Dass der Mangel an Behördenmitgliedern früher oder später zur Fusion mit einer Nachbargemeinde führen könnte, sagte er zwar nicht direkt, die Botschaft war aber klar. «Wenn wir einmal zu Zäziwil, Grosshöchstetten oder Konolfingen gehören, werden wir nur noch ein Randgebiet sein.» Da sei es besser, als eigenständige kleine Gemeinde selber über seine Geschicke zu bestimmen – abgesehen davon, «dass wir massiv tiefere Steuern haben».

Die Situation in den Behörden von Mirchel ist in der Tat alles andere als einfach. Immerhin muss der Gemeinderat auf Ende Jahr nicht nur einen Rücktritt verkraften, sondern gleich deren zwei.

Marc Pauli und Eva Dubler treten Ende Jahr ab – und fast wäre es zu einem dritten Wechsel gekommen: Auch Präsident Wisler hätte eigentlich gern aufgehört, doch angesichts der zwei Demissionen entschied er sich zum Weitermachen.
Zwei Demissionen auf einmal sind das eine, noch mehr aufhorchen lässt allerdings, dass Dubler wie Pauli nach nur drei Jahren im Amt genug haben. Und nicht nur das: Schon ihre Vorgänger Loug van Beest und Heinz Lehmann verabschiedeten sich bereits nach drei oder vier Jahren wieder. Ob in der Mircheler Exekutive am Ende der Wurm drinsteckt?

Direkte Antworten gibts darauf von den Betroffenen keine. In ihren Demissionsschreiben begründeten Pauli wie Dubler ihren Entscheid mit «persönlichen Gründen», und weiter gehend sagt Pauli auf Anfrage, wolle er sich in der Öffentlichkeit nicht äussern. Auch Dubler übt sich in Zurückhaltung – in einem Punkt dagegen sind beide klar.

Auf die Frage, wieso sie gleich beide der letzten Gemeindeversammlung ferngeblieben sind und somit nicht persönlich verabschiedet werden konnten, antwortet er: Eine Weihnachtsfeier seiner Kinder sei ihm wichtiger gewesen. Und sie: Sie habe ihren Mann an einen Anlass begleitet, «die Familie hatte bei mir immer Priorität vor der Gemeinde».

Vielleicht hilft bei all den offenen Fragen ein Blick fünf Jahre zurück. Ende 2003 wars, als Wislers Vorgänger Ernst Boss – notabene ebenfalls nach drei Jahren – mit unüberhörbarem Frust das Präsidium niederlegte.

Vor der Gemeindeversammlung klagte er über Differenzen mit der Verwaltung und darüber, dass er als Neuzuzüger an einem harten Kern alteingesessener Familien angerannt sei und nur wenig erreicht habe – exemplarisch dafür stehe die Geschichte mit der Benennung der Strassen, die nicht vorwärtsgehe.

Mittlerweile sind die Strassen zwar beschriftet. Doch die Kritik hält an. In der Privatwirtschaft müsste ein solches Projekt viel rascher über die Bühne gehen, sagt ein ehemaliges Gemeinderatsmitglied, das sich – wie fast alle im 530-Seelen-Dorf, wo jeder jeden kennt – nur hinter vorgehaltener Hand äussert.

Andere klagen, die Gemeinde trete auf die Bremse, sobald ein Anliegen etwas koste. Daher, stellen sie mit Blick auf den tiefen Steuerfuss lakonisch fest, könne man mit Fug und Recht günstig sein.

Immer wieder ein Thema ist die Verwaltung, die seit Jahren von Gemeindeschreiber Beat Joss geführt wird und entsprechend Einfluss nimmt – eine ehemalige Gemeinderätin bringt ihre Überlegungen so auf den Punkt:

Nach den ersten paar Jahren im Amt sehe man, wie der Hase laufe. Dann könne man sich entweder arrangieren oder aber müsse die Konsequenzen ziehen und gehen – sie habe sich für den zweiten Weg entschieden.

Von solcher Kritik will Präsident Wisler indes nichts wissen. Das Verhältnis in der Exekutive sei gut, und an Gemeindeschreiber Joss sowie an dessen Bürokollegen habe er rein gar nichts auszusetzen.
«Wenn ich mich nicht auf die zwei guten Männer verlassen könnte, hätte ich längst aufgehört», erklärt er und erinnert daran, dass er zum zweiten Mal als Präsident amtet und bereits 18 Gemeinderatsjahre auf dem Buckel hat. Nein, die Mühe bei der Suche nach neuen Gemeinderäten erklärt sich Wisler mit dem gesellschaftlichen Trend.

www.mirchel.ch

Fehler gefunden?
Statistik

Erstellt: 13.12.2008
Geändert: 13.12.2008
Klicks heute:
Klicks total: