Michael Frey: Gitarre, Pinsel und bald wieder Fussball
Das Comeback von Michael Frey rückt näher. Unklar ist, ob er weiterhin bei Lille in der Ligue 1 spielen wird. Die lange Verletzungspause hat er mit Kunst und Training überbrückt.
«Das Einzige, was ich zu meiner Zukunft sagen kann, ist, dass ich bei Lille einen Vertrag bis 2018 habe.» Michael Frey weiss im Moment nicht, wie es in seiner jungen Fussballerkarriere weitergehen wird. Derzeit weilt der U-21-Nationalspieler in der Schweiz und kuriert seine Knöchelverletzung aus. Anfang September liess er sich hier zum zweiten Mal operieren, um die Fehler, die beim ersten Eingriff in Frankreich gemacht wurden, zu korrigieren.
Nachdem er sich im Sommer zurückgekämpft habe, sei die zweite Operation ein weiterer Schlag auf den Kopf gewesen, erinnert sich Frey. Jetzt sind die Krücken weg und der Fuss ist wieder voll belastbar. In drei bis vier Wochen darf er wieder «seckle», wie er das Laufen in breitem Berndeutsch bezeichnet. Und wenn es so weit ist, wird es auch nicht mehr lange dauern, bis der Vollblutfussballer wieder den Ball kickt.
Der Kubo von Lille
Der Start in Frankreich vor mehr als einem Jahr war für den Ex-Young-Boy nicht einfach. «Ich war der Yuya Kubo von Lille», scherzt Frey, «in Bern rede ich von morgens bis abends. In Lille hat mir niemand zugehört, weil sie mich nicht verstanden haben.» Nach einem halben Jahr konnte er auch dank der Hilfe eines alten Deutschprofessors mitdiskutieren. Neben und auf dem Platz lief es immer besser für ihn. Bis der Münsinger sich im Januar dieses Jahres verletzte. Ganz am Anfang sei er erleichtert gewesen, einmal etwas herunterfahren zu können, nachdem er so gekämpft habe, um sich in Lille zu etablieren. Die Erleichterung wich bald dem Wunsch, endlich wieder Fussball spielen zu können. Gezweifelt habe er keine Sekunde: «Ich weiss, dass ich stärker zurückkommen werde.»
Um stärker zurückzukommen, trainiert der 21-Jährige jeden Tag mit Hanspeter Sterki, seinem Physio, Kinesiologen und Mentaltrainer in Personalunion, mit dem er bereits bei YB zusammengearbeitet hat. Neben dem körperlichen Training hält er auch den Kopf fit, löst Rechenübungen und schaut sich jeden Tag Matches und Trainings an oder «was man sonst alles findet. Youtube ist eine wunderbare Welt.» Frey konnte so «mit den Augen lernen», während dies physisch nicht möglich war.
«Es regt mich auf, wenn ich um die Mitspieler herum bin, aber selbst nicht mitmachen kann», nennt Frey den Grund, weshalb er für die Reha nicht in Lille geblieben ist. Er wohnt zwischenzeitlich wieder bei den Eltern in Münsingen. «Es ist nicht immer einfach, aber wir haben das sehr gut gemacht. Ich bin stolz auf meine Familie», sagt Frey und fügt lachend an, «eine 4,5-Zimmer-Wohnung und nur ein Fernseher – da kann es manchmal einen kleineren Streit um die Fernbedienung geben.»
Mehr Zeit für Musik und Kunst
Ohne Fussball bleibt mehr Zeit fürs Malen und Zeichnen, für die «richtigen» Kollegen, für den Besuch von YB-Matches und fürs Gitarrespielen. Eine halbe bis eine Stunde pro Tag übt er normalerweise im Keller. Es klinge schon ziemlich gut – «aber jetzt kommt die Theorie». Für die Band seines Gitarrenlehrers hat er ein Plakat für ein Konzert im Dezember gemalt, das jetzt reproduziert und zwischen Thun und Bern aufgehängt wird. Es ist eines von vielen neuen Bildern, die in diesem Jahr entstanden sind.
Bald soll der Fokus wieder einer anderen Kunst gelten: «Fussball ist auch eine Art Kunst. Du kannst dich auch ausdrücken auf dem Platz.» Spätestens Mitte Dezember kann Frey voraussichtlich wieder voll trainieren. Ob und wann er zum OSC Lille zurückkehren wird, ist offen. Erst seit diesem Sommer im Amt, wurde Trainer Hervé Renard, der nicht mit dem Schweizer plante, am vergangenen Mittwoch beim Ligue-1-Vertreter entlassen. «Im Fussball geht es manchmal enorm schnell», sagt Frey, «ich weiss nicht, wer der neue Trainer sein wird, und muss nun einfach schauen, was passiert.» Die Karten in der Mannschaft könnten neu gemischt werden. Im Winter wird sich zeigen, wie und wo es für ihn weitergeht.
Sein Name wird auch immer wieder mit dem ehemaligen Verein in Verbindung gebracht. «YB ist ein toller Verein, dem ich viel verdanke», sagt Frey. Und fügt verschmitzt an: «Sie könnten mich brauchen!»