Noemi und Luca: «Wetten, dass…? kennen wir nicht»
Luca Thierstein und Noemi Siegenthaler sind dieses Jahr volljährig geworden. Wir wollten von den beiden wissen, wie sie auf die aktuelle Welt schauen, welche Medien sie nutzen und was ihre Pläne für die Zukunft sind.
Luca Thierstein ist in Arni-Dorf aufgewachsen. Er ist im dritten Lehrjahr als Elektroinstallateur-Lehrling bei Neumar in Zäziwil. In seiner Freizeit treibt er viel Sport, er hornusst bei der HG Oberthal, spielt Unihockey bei den Lions Konolfingen, joggt, klettert, wandert und schwimmt gerne und viel.
Noemi Siegenthaler ist in Lütiwil bei Arni aufgewachsen, sie besucht das Gymnasium in Burgdorf. In ihrer Freizeit ist sie oft gestalterisch tätig, stellt selbst Schmuck her, ist gerne in der Natur, geht wandern, joggen oder Skifahren.
Die beiden wohnen noch bei den Eltern, sie besuchten zusammen den Kindergarten und waren in der Schule bis in die achte Klasse zusammen. Noemi und Luca wurden an der letzten Gemeindeversammlung als junge Bürgerin und Bürger geehrt.
BERN-OST: Ihr seid dieses Jahr 18-jährig und somit volljährig geworden. Hat dies bei euch etwas verändert?
Noemi: Ich habe viele Briefe erhalten, beispielsweise von der Bank. Viele Leute sagen einem auch, dass man jetzt 18 sei und mehr Verantwortung übernehmen müsse. Aber viel hat sich noch nicht verändert, ich wurde erst am 2. November volljährig. Ich nehme seither nicht mehr Verantwortung wahr als bisher.
Luca: Jetzt erhalte ich dann die Steuererklärung, Briefe zur 3. Säule habe ich auch erhalten. Dass das Leben richtig los gehe, davon habe noch nichts bemerkt. Ich bin am 12. September volljährig geworden und habe die Autoprüfung bereits gemacht.
Jetzt könnt ihr aktiv mitbestimmen. Wird man euch künftig an einer Gemeindeversammlung antreffen?
Luca: Mir gefiel an der letzten Gemeindeversammlung, dass ich einige Leute dort kannte und wiedersah. Ich denke, ich werde dort künftig teilnehmen, es ist unser Dorf, die Heimat, unsere Meinung ist gefragt. So lernt man auch die Leute besser kennen.
Noemi: Ich kannte nicht viele Leute und weiss noch nicht, wie oft ich teilnehmen werde. Ich muss mich noch mehr mit den Themen auseinandersetzen und mir eine Meinung bilden.
Werdet ihr bei nationalen Vorlagen abstimmen, habt ihr an den Wahlen teilgenommen?
Luca: Das war noch zu kurzfristig, ich erhielt das Wahlcouvert erst drei Tage vor den Wahlen, weshalb ich nicht teilgenommen habe.
Noemi: Ja klar, das finde ich wichtig, dass ich meine Meinung äussern kann. Ich werde diejenigen Sachen unterstützen, bei denen ich möchte, dass sie sich verändern. Alle könnten das nutzen, aber man sieht ja an der Stimmbeteiligung, die nicht mal 50 Prozent beträgt, dass viele nicht teilnehmen.
Luca: Mich stört, dass viele sagen, «ich bin nur eine Stimme von acht Millionen, das nützt ja eh nichts.» Wer nicht abstimmt, soll aber auch nicht kritisieren, wenn ihm etwas nicht passt. Deshalb finde ich, man soll mitbestimmen. Und denjenigen, die sich enthalten sage ich, sie sollen jetzt ruhig sein.
Noemi: Ja, das sehe ich gleich.
Luca, du stehst im zweitletzten Lehrjahr bei deiner Ausbildung zum Elektroinstallateur. Hast du schon Pläne, wie es nach der Lehre weitergeht?
Ich kann noch nicht sagen, ob ich auf mehr Elektronik oder Planung setze, oder noch eine Zweitlehre mache. Fast sicher ist, dass ich die Berufsmaturität absolvieren werde.
Noemi, du bist am Gymer in Burgdorf, welche Pläne hast du?
Ich will auf jeden Fall ein Zwischenjahr einlegen, um Geld zu verdienen. Danach möchte ich reisen gehen und volunteeren. Später will ich Ethnologie sowie Medien und Kommunikation studieren. Volunteeren funktioniert so, ich bezahle die Reise und arbeite dann vor Ort, beispielsweise in Bali. Das kann mit Tieren oder Kindern sein. Mir geht es darum, etwas Sinnvolles zu tun, einen halben Tag arbeite ich und kriege dafür Kost und Logis. Bali wäre sehr spannend, da mich die Welt interessiert zwischen Instagram und der Realität. Zum Reisen würde mich Namibia reizen, aber das pressiert nicht.
Luca, hast du auch Reisen geplant?
Mich interessiert vor allem der Norden, sei es Schweden, Finnland, Alaska oder Kanada.
Ihr seid während Corona erwachsen geworden. Wie schaut ihr auf die Zeit zurück, als man nirgends hinkonnte und alles zu war. Habt ihr etwas verpasst?
Noemi: Ich hatte nie Corona, aber es war schon eine Einschränkung. All die sozialen Kontakte waren plötzlich weg. Ich tausche mich gerne aus, bin gerne unterwegs. Das nicht mehr zu können war sehr schwierig. Man konnte nicht mehr zusammen «käfelen» gehen, andererseits konnte man in Arni raus in den Wald. Aber das Soziale fehlte mir schon. Auch das Maskentragen in der Schule war mühsam, als nach zwei Jahren die Masken in der Schule wegfielen, sah ich plötzlich Gesichter, die ich vorher nie sah. Oder wenn man im «Poschi» hustete, schauten einen die Leute blöd an. Viele Leute hatten auch Schwierigkeiten sich zu beschäftigen in der Zeit, die man plötzlich hatte und schauten zu viel Netflix.
Luca: Es gab Positives und Negatives. Freundschaften litten darunter einerseits auch, weil andere komplett andere Ansichten hatten. Da spürte man, wer diskutieren kann und wer nicht, es hat schon viel verändert. Heute kann man Kunden die Hand geben, das schätzen alle, aber sie haben es wie vergessen. Viel verpasst habe ich nicht, ich unternehme gerne etwas für mich oder mit Kollegen. Klar, all die Dorffeste, die gabs nicht mehr. Positiv war, dass ich Geld sparen konnte. Man hatte mehr Zeit für sich.
Kaum war Corona vorbei, überfiel Russland die Ukraine, dann kam der Gaza-Krieg. Was löst das bei euch aus?
Luca: Wieso kann der Stärkere nicht dem Schwächeren helfen? Man hätte das bremsen sollen, in Form von Verhandlungen. Aber es ging wohl zu schnell. Das wäre alles nicht passiert, wenn es mehr Akzeptanz gäbe. Das beschäftigt mich schon, einer von unserer Berufsschule war in Tel Aviv zu der Zeit als es losging. Er hat Bekannte dort und besuchte diese. Wir hier können froh sein, wir haben alles, im Gazastreifen müssen die Leute Angst haben, dass sie den nächsten Tag nicht überleben.
Noemi: Mich beschäftigt das auch. Deshalb will ich mich als Freiwillige einsetzen für eine bessere Welt.
Wie steht ihr zu Social Media? Welche Plattformen nutzt ihr und wie oft?
Noemi: Ich bin ab und zu auf Instagram, nutze es aber nicht häufig. Ich poste praktisch nie etwas. Ich habe noch Snapchat und Tiktok, brauche es aber wenig. Ich versuche, so wenig wie möglich Zeit auf Social Media zu verbringen. Whatsapp und Signal habe ich auch, um zu kommunizieren, Facebook nicht und das Posten von Videos auf Tiktok finde ich eher peinlich.
Luca: Ich telefoniere lieber als per Whatsapp zu schreiben. Ich habe noch Insta und Snapchat, brauche es aber selten. Wer ständig Fotos von sich postet, flüchtet vor etwas, die Leute sind wohl auf der Suche. Wenn ich auf Instagram ein Foto poste, dann eher Fotos von Landschaften ohne Leute drauf. Beide unsere Instagram Accounts sind zudem privat.
Warum seid ihr dann auf Instagram?
Noemi: Es sind verschieden Aspekte. Es gibt Leute, die unsicher sind, sie wollen überall dabei sein und nichts verpassen. Bei mir ist das heute nicht mehr der Fall, aber früher schaute ich schon, was die anderen machen. Wer hat das bessere Ferienziel, macht den besseren Spruch. Heute finde ich auf Insta coole Sachen über Brockis oder Reiseziele.
Luca: Ich folge keinen anderen Leuten, sondern suche eher Seiten mit Allgemeinwissen oder Bilder über die Natur oder über die Sterne. Mich interessieren Themen wie Astrophysik, da kann ich viel lernen.
Habt ihr auch Freunde, welche nicht auf den sozialen Medien unterwegs sind?
Noemi: Meine ganze Klasse im Gymer hat Insta. Im Freundeskreis aber hat die Mehrheit kein Insta, kein Snapchat und kein Tiktok. Tiktok wird eher von Jüngeren benutzt.
Wo seht ihr euch in 20 Jahren? Beruflich, wollt ihr in Arni bleiben? Könnt ihr euch eine Familie vorstellen?
Luca: Ich wohne dann wohl nicht mehr in Arni, würde zwar gerne hierbleiben, aber es ist schwierig, eine Wohnung zu finden. Ich bin nicht sicher, ob man in diese Welt noch Kinder setzen sollte, weil es bei allem immer mehr verschiedene Meinungen gibt. Zum Beruflichen: ich könnte ich mir vorstellen, später Astrophysik oder Kosmologie zu studieren.
Noemi: Ich werde wohl nicht mehr in Arni wohnen. Mir gefällt es hier, aber es gibt Orte, wo ich mich wohler fühle. Arni ist schon abgelegen. Vielleicht werde ich während des Studiums etwas in Stadtnähe suchen. Kinder zu haben kann ich mir aus umwelttechnischen Gründen nicht vorstellen. Weil ich mit vielem nicht einverstanden bin, da möchte ich kein Kind in diese Welt setzen. Alles, was man in ein Kind investieren kann, kann ich anders investieren. Beruflich hoffe ich, dass ich mithelfen kann, die Welt zu verbessern.
Dieses Interview erscheint auf BERN-OST. Welche Medien nutzt ihr? Lest ihr noch Zeitung? Nutzt ihr TV und Radio oder nur Internet?
Luca: Bei Radio und Zeitung bin ich voll dabei. Sei es «Blick», «20 Minuten» oder ich schaue auf BERN-OST, was läuft. Im Fernsehen schaue ich ab und zu die Tagesschau.
Noemi: TV brauche ich nicht.
Habt ihr «Wetten, dass…?» nicht geschaut?
Noemi: «Wetten, dass…?» kennen wir nicht. Manchmal schaue ich beim Grosi «1 gegen 100». Wenn Fernsehen, dann eine Doku. Ich würde gerne die BZ lesen, aber kann mir kein Abo leisten. Auf dem Handy nutze ich die SRF-App, «20 Minuten» lese ich jeden Tag im Zug, Radio höre ich nie.
Welche Musik hört ihr und wie?
Luca: Ich höre alles ausser Deutsch-Rap. Zudem höre ich auch gerne klassische Musik oder einen Podcast. Die Musik höre ich über Spotify, wir haben ein Familienabo.
Noemi: Ich höre auch über ein Spotify-Familienabo viel deutschen Indie. Neulich habe ich Jazz entdeckt, was mir gut gefiel.
Wenn man volljährig ist, muss man auch Steuern bezahlen. Habt ihr schon mal eine Steuererklärung gesehen? Nimmt man dies in der Schule durch?
Noemi: Nein, in der Schule nicht. Ich habe keinen blassen Dunst wie das geht, mein Papa wird mich sicher dabei unterstützen.
Luca: Wir haben in der Schule wählen können, ob Steuererklärung oder ob wir ein anderes Thema durchnehmen. Der Entscheid fiel gegen die Steuererklärung. Mein Vater hat es mir schon mal gezeigt.
Noemi und Luca, herzlichen Dank für das offene Gespräch.