Landiswil - Immer mehr Bio dank höheren Preisen
Der Kanton Bern will die Anzahl Bio-Landwirtschaftsbetriebe bis 2020 um ein Viertel erhöhen. Bauer Markus Moser aus Landiswil befindet sich bereits in der Umstellungsphase. Mit ein Grund für den Wechsel ist heute für viele das Geld.
Neben den Erdbeerfeldern grasen an ihrer Stelle nun 10 Mutterkühe. Auch sonst hat sich auf dem Hof einiges verändert. So musste etwa ein Teil der Anbaufläche für Kartoffeln, Petersilie und Getreide weichen. Pestizide sowie Kunstdünger gehören komplett der Vergangenheit an. Denn Markus Moser (33) und seine Frau Christine (30) haben sich entschieden, per 1. Januar dieses Jahres die konventionelle Landwirtschaft aufzugeben und künftig auf Bio zu setzen.
Damit folgen die beiden einem schweizweiten Trend. Lag die Anzahl Biobauern 2010 noch bei 5913, so waren es im vergangenen Jahr 6538. 13,2 Prozent aller Betriebe haben sich der nachhaltigen Produktion verschrieben. Im Kanton Bern liegt der Anteil mit 11,4 Prozent leicht tiefer. Das will der SP-Volkswirtschaftsdirektor Christoph Ammann nun ändern. Er hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2020 rund 200 neue Bauern für den Biolandbau zu begeistern (siehe Kasten).
Längst werden die Bioprodukte auch nicht mehr nur in kleinen Nischenläden verkauft. Coop ist mit einem Umsatz von 1,1 Milliarden Franken unumstrittener Biomarktleader. An zweiter Stelle steht die Migros mit 808 Millionen Franken. Und ein Ende des Booms ist nicht in Sicht. Bei Coop ist die Rede von einem «überdurchschnittlichen Wachstum», bis 2025 soll der Umsatz 2 Milliarden Franken betragen.
Höhere Einnahmen
Während für Landwirte früher der Respekt vor der Natur, den Pflanzen und den Tieren der Hauptgrund für einen Wechsel war, ist es heute denn auch immer mehr das Geld. Die Einnahmen für konventionell hergestellte Produkte geraten zunehmend unter Druck. Demgegenüber stehen die höheren Preise der Biolebensmittel und die zusätzlichen Direktzahlungen.
Auch bei Markus Moser war die Wertschöpfung mit ein Grund für den Entscheid. «Wir rechnen damit, dass wir langfristig finanziell besser dastehen, als wenn wir weiterhin konventionell produzieren würden», sagt er. Genauere Zahlen kann er derzeit noch nicht nennen. Moser sagt aber, dass er mit einem Bio-Petersilien-Feld von 10 Aren den gleichen Ertrag wie mit 2 Hektaren konventionellen Saatkartoffeln erzielt. Und die Erdbeeren werden künftig statt für 5 Franken für 10 Franken das Kilo verkauft.
«Da aber kein Kunstdünger mehr eingesetzt werden darf, fällt gleichzeitig auch die Ernte rund ein Drittel geringer aus als bei einer konventionellen Produktion.» Zudem sei der einzige Schutz gegen die Graufäule nun eine Plastikabdeckung, die dafür sorge, dass die Erdbeeren nicht zu viel Regen abbekämen. «Früher konnten wir als letzte Möglichkeit Pestizide oder Fungizide einsetzen. Jetzt ist das Risiko für einen Ernteausfall viel grösser.» Schliesslich sei auch der Aufwand für die Unkrautbekämpfung gestiegen. Allein im Petersilienfeld verbrachten Mosers dieses Jahr rund 100 bis 150 Stunden mit Jäten von Hand.
Druck auf die Richtlinien
Das Geld war auch nicht der einzige Grund für den Wechsel. «Seit unsere Kinder auf der Welt sind, haben wir uns verstärkt gefragt, ob der Einsatz von Giftstoffen wirklich der richtige Weg ist», sagt Moser. Und: Er wollte sich wieder mehr als richtiger Bauer fühlen. «Ich muss die Pflanzen und Tiere jetzt genauer beobachten, da der Einsatz verschiedener Hilfsmittel weggefallen ist.»
Dass bei der Umstellung von konventioneller Produktion zu Bio die finanziellen Gründe immer mehr Gewicht erhalten, verfolgt man beim Inforama kritisch. Diese Tendenz sei eine Herausforderung, sagt Niklaus Messerli, der für die Bioschule Schwand zuständig ist. «Je grösser der Anteil Biobauern ist, der sich aus finanziellen Überlegungen zu einem Wechsel entschieden hat, desto stärker kommen die Richtlinien unter Druck», so Messerli. Konkret befürchtet er, dass die Vorgaben für die Produktion unter dem Motto «gleich lange Spiesse für alle» gelockert werden könnten. So gebe es etwa bereits heute Biobauern, die kurz nach dem Einstieg Ausnahmebewilligungen beantragen würden. «Letztlich könnten so die Biolabel und die jahrelang erarbeitete Glaubwürdigkeit bei den Konsumenten in Gefahr geraten.»
Messerli betont aber auch, dass die Entwicklung nicht dramatisiert werden dürfe. Bei seiner Beratertätigkeit stelle er fest, dass nach wie vor selten das Geld der alleinige Auslöser für einen Wechsel sei. Die Überzeugung spiele noch immer eine grosse Rolle. «Gerade im Mittelland muss sich ein Landwirt auch nach wie vor rechtfertigen, wenn er auf Bio umstellt», sagt Messerli.
Kräuter als Nischenprodukt
So weit ist es bei Mosers nicht gekommen, das Umfeld habe den Entschluss gut aufgenommen, sagt der Landwirt. Aber auch er ist der Meinung, dass die Überzeugung unerlässlich ist. «Stellt jemand nur wegen des Geldes um, ist er zum Scheitern verurteilt», glaubt er. So seien die ersten beiden Jahre alles andere als einfach. Die Biorichtlinien müssen dann bereits eingehalten werden, aber der grösste Teil der Produkte darf noch nicht unter dem Label verkauft werden. Erst nach dieser Umstellungsphase wird ein Betrieb zertifiziert. «Das ist keine tolle Zeit.» Wobei Mosers bis jetzt Glück gehabt hätten. Das Unkraut sei kein grosses Problem gewesen, ebenso wenig Pflanzenkrankheiten. Zudem konnten sie die Investitionen klein halten, da sie Jätmaschinen von Markus’ Bruder benutzen, der in Worb bereits einen Biohof führt.
Schwierig sei es aber abzuschätzen, was auf dem Markt in Zukunft gefragt sein wird. Mit den Kräutern hat sich Moser für eine rentable Nische entschieden. «Gleichzeitig ist es aber auch ein Luxusprodukt. Wer weiss, ob Petersilie auch noch gekauft wird, wenn es Herrn und Frau Schweizer mal nicht mehr so gut geht.» Bei der Biomilch hingegen glaube er an einen wachsenden Markt. Leider sei er aber mehr Pflanzenbauer als Tierhalter. Deswegen habe er die Milchkühe durch Mutterkühe ersetzt. So verteile sich die Arbeit besser über den gesamten Tag.
Unterschiedliches Potenzial
Manche Bioprodukte gerieten in den letzten Jahren aber auch immer wieder unter Preisdruck. Bei der Milch etwa schwankt das Angebot im Jahresverlauf stark. Während mancher Monate gab es deshalb mehr Biomilch, als nachgefragt wurde, sodass diese zu tieferen Preisen verkauft werden musste. Ähnlich erging es vor zwölf Jahren den Produzenten von Bioschweinefleisch. Weil das Angebot zu gross wurde, brach der Markt zusammen. Die Folge: Bauern stiegen wieder aus der Schweinehaltung aus. Auch heute wird die Produktion von Bioschweinefleisch von den Spezialisten kritisch verfolgt. «Der Markt in diesem Segment ist klein. Wenn ein grosser Anbieter auf Bio wechseln würde, könnte das bereits zu einem Problem werden», sagt Messerli von der Bioschule Schwand.
Anders ist die Situation bei Beeren oder Getreide, wo laut Coop die Nachfrage nicht vollständig mit Schweizer Produkten abgedeckt werden kann. Insofern werden Mosers mit ihren Erdbeeren wohl einen guten Stand haben. Der Markt dürfe aber nicht das einzige Argument bei der Auswahl des Angebots sein, sagt der Landwirt. «Letztlich muss man das produzieren, was einem Freude macht.» Nur dann sei man auch erfolgreich.
Verkauf auf dem Markt
Bei der Vermarktung ihrer Produkte setzen Mosers auf verschiedene Standbeine. Seit vier Monaten geht Christine einmal pro Woche auf den Markt in Thun. Ein Teil der Erdbeeren geht zudem in den Grosshandel, und die Petersilie liefern sie an Swiss Alpine Herbs im Simmental, heuer war es rund eine Tonne. «Geplant ist, dass wir künftig mehr und möglicherweise noch weitere Kräuter anbauen werden», sagt Moser.
Das Kalbfleisch aus der Muttertierhaltung soll zudem als Natura Beef verkauft werden. Und wenn die Familie am 1. Januar 2019 als vollwertiger Biobetrieb zertifiziert sein wird, dann werde erst mal nichts mehr verändert. Moser: «Eine solche Umstellung braucht nicht nur Ressourcen, sondern auch mentale Kraft.»