Kiesen - Fahrdienst organisiert sich nach Bruch mit dem Roten Kreuz selbst

Der Frauenverein Kiesen-Oppligen führt den Fahrdienst für ältere und kranke Menschen seit Anfang Jahr in eigener Regie durch.

Gabriel Berger, Berner Zeitung BZ

Während 30 Jahren hat der Frauenverein Kiesen-Oppligen in Kooperation mit dem Schweizerischen Roten Kreuz (SRK) einen Fahrdienst für ältere, behinderte oder kranke Menschen durchgeführt. Seit dem 1. Januar organisieren sich die acht Freiwilligen, die für die gute Sache unterwegs sind, nun aber neuerdings selbst. Aus dem Rotkreuzfahrdienst ist der «Freiwillige Fahrdienst 3629 und 3116» geworden – benannt nach zwei Postleitzahlen aus dem Einzugsgebiet Kiesen, Oppligen, Jaberg, Kirchdorf und Noflen.

Mehrkosten für Kunden, aber auch für Gemeinden

Zum Bruch mit dem Roten Kreuz kam es, als dessen Sektion Bern-Mittelland den Dienst im letzten Sommer anders organisierte. «Bisher haben unsere Kunden direkt bei ihren jeweiligen Fahrern bezahlen können. Mit den neuen Vertragsbedingungen hätte jede Fahrt über die Zentrale in Bern gebucht und abgerechnet werden sollen. Dies hätte zu Fahrkosten von 2.40 Franken pro Kilometer geführt, bis anhin waren es 80 Rappen», hält Beatrice Riem, Präsidentin des Frauenvereins Kiesen-Oppligen, fest.

Zwar habe das SRK die Gemeinden im Einzugsgebiet der Region Bern-Mittelland um Unterstützung gebeten, daraus resultiere aber mit 1.20 Fr./km immer noch ein höherer Tarif als bisher. «Jene Gemeinden, die mitmachen, bezahlen neu 60 Rappen pro Kopf ihrer Bevölkerung», weiss Riem. «Bislang kostete der Fahrdienst die Gemeinden keinen roten Rappen. Sowohl für sie als auch für die Kundinnen und Kunden entstehen also Mehrkosten.»

Mühe bereitete Riem zudem die Art und Weise, wie die Änderung kommuniziert wurde: «Im August wurden wir ins SRK-Büro nach Bern eingeladen, mündlich informiert und vor vollendete Tatsachen gestellt.» Für sie sei sofort klar gewesen, dass der Frauenverein unter diesen Umständen nicht mehr Hand biete.

Komplizierter Umweg über die Zentrale in Bern

Nebst der Verteuerung hätte der umorganisierte Fahrdienst auch einen administrativen Mehraufwand für alle Beteiligten bedeutet. Die Fahrer etwa hätten neu die Eckdaten jeder Fahrt festhalten und jeweils Ende Monat mittels elektronischen Formulars ans SRK weiterleiten müssen. Dort wären ihnen die Spesen ausbezahlt worden. «Unsere Fahrer sind Senioren, die am Computer meist nicht so geübt sind», erklärt Riem. «Für sie wäre die Umstellung eine mühsame, bürokratische Übung geworden.»

Auch die Kunden hätten ihren Fahrer neu via Zentrale in Bern anfordern müssen. Da sich die Kiesener gewehrt haben und sich nun selber um den Dienst kümmern, können die Betagten, Behinderten und Kranken die ihnen meist bekannten Ansprechpersonen vor Ort weiterhin direkt anrufen. «Einkassiert wird dann jeweils – ähnlich wie bei Taxis – nach der Ankunft am Ziel», erläutert Riem.

Mit dem Tarif von 80 Rappen würden den Fahrern nur die entstandenen Kosten vergütet; die zur Verfügung gestellte Zeit ist freiwillig und unentgeltlich. Das Angebot des Frauenvereins Kiesen-Oppligen ist durchaus gefragt: Allein im Jahr 2015 wurden laut Fahrdienstleiter Ernst Zysset 370 Aufträge durchgeführt. In 565 Einsatzstunden wurden dabei 7220 Kilometer zurückgelegt.

SRK wollte Dienst zu gleichen Bedingungen für alle sichern

Ursula Zulauf, Geschäftsführerin der SRK-Region Bern-Mittelland, hält auf Anfrage fest, dass bei der Neuorganisation die Absicht im Vordergrund stand, «den Fahrdienst im ganzen Einzugsgebiet zu sichern und der Bevölkerung zu gleichen Bedingungen zur Verfügung zu stellen». Bis 2014 hätten mit über 30 Privaten und Vereinen Zusammenarbeitsvereinbarungen existiert. Ein Drittel davon betraf Spitex-Vereine. Wegen der kantonalen Sparmassnahmen bei den ergänzenden Dienstleistungen im Spitex-Bereich hätten sich letztes Jahr «insbesondere Spitex-Vereine aus der Führung des Fahrdiensts zurückgezogen», sagt Zulauf.

Nach weiteren Kündigungen, zum Beispiel aufgrund von Nachfolgeproblemen, wurde die Neuorganisation in Angriff genommen. Bisher hätten die lokalen ­Vermittlungsstellen bezüglich Tarifmodell, Öffnungszeiten und ­Angebot relativ autonom funktioniert. «Die Dienstleistung wurde zu unterschiedlichen Bedingungen und Tarifen angeboten», so Zulauf.

Daher habe das SRK den bisherigen Partnern für die künftige Zusammenarbeit die Übernahme der neuen, einheitlichen Standards als Option unterbreitet. «Das Rote Kreuz Bern-Mittelland wird das Tarifsystem im Verlauf des Jahrs 2016 überprüfen», stellt Ursula Zulauf in Aussicht. Die Geschäftsführerin betont zudem, dass der Rotkreuzfahrdienst – trotz Tarifanpassungen und Subventionen – «ein bedeutendes Defizit» einfahre. Alle damit verbundenen Einnahmen würden zweckgebunden für den Fahrdienst eingesetzt.

Für die Frauenvereinspräsidentin Beatrice Riem spielt dies nun alles keine Rolle mehr. Es seien alle nötigen Vorkehrungen für einen «reibungslosen, unkomplizierten und sicheren Fahrdienst» getroffen worden – auch in eigener Regie. «Seit wir uns selber organisiert haben, stimmt es wieder für uns.» (Thuner Tagblatt)


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Erstellt: 14.01.2016
Geändert: 14.01.2016
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