Heinz Rüfenacht: Nicht auf die Uhr schauen zu müssen ist ein Privileg

Geschäftsinhaber Heinz Rüfenacht steht immer noch jeden Tag von morgens bis abends im Laden. Es würde ihm etwas fehlen, wenn er nicht mehr arbeiten könnte. Der 82-Jährige erzählt aus der Zeit, als in Worb die Strassen noch nicht geteert waren und warum die Bedienung bei Rüfenacht besser ist als beim Grossverteiler.

Rolf Blaser, rolf.blaser@bern-ost.ch

Heinz Rüfenachts Vater hatte das Geschäft gegründet. Dieser war in den 1920er Jahren nach Amerika ausgewandert. "1928 musste er zurückkommen, weil meine Mutter krank wurde", erzählt Rüfenacht. Es sei damals schwierig gewesen, Arbeit zu finden. Er entschied sich, Gartengeräte zu verkaufen. Er fuhr mit dem Velo nach Langnau auf den Märit. Im Anhänger hatte er Gartengeräte, Schaufeln, Schläuche bei sich. Zu Beginn hatte er nur eine Garage und verkaufte von dort seine Produkte.

 

Worb im Jahr 1945

Heinz Rüfenacht selbst ist 1939 geboren. Zusammen mit seinem Zwillingsbruder halfen sie als Buben oft im Laden aus. "Vater gab uns ein Ämtli, etwas, was wir im Geschäft nach der Schule erledigen mussten." Das war Ende der 40er Jahre. Worb war damals noch ein Dorf, mit Landwirtschaft ringsum. "Unser Spielplatz war das ganze Dorf. Wir rannten durch die Gärten. Das war eine schöne Zeit."

 

Die Bahnhofstrasse war damals noch nicht geteert, "wenn es windete, gab es immer eine Staubwolke." Auch betreffend Verkehr war es in Worb noch ein wenig ruhiger. Rüfenacht und sein Bruder seien häufig vor dem Sternen auf einem Bänkli gesessen. "Wir sassen dort und zählten die Autos, die vorbeifuhren. Pro Stunde kamen so um die zehn Autos."

 

Blech statt Plastik

Damals gab es in Worb drei Eisenhandlungen, neben Rüfenacht & Co gab es auch noch Rupp und Räbers. Wenn er zurückdenke, habe sich schon viel verändert. "Alles war aus Blech; Eimer, Werkzeuge, Plastik gab es noch nicht. Wir verkauften damals Wäschezuber, die Wäsche kam in den Zuber, unten wurde eingeheizt. Die waren glaub ich von Zug. Dann kamen die ersten Waschmaschinen, die wurden noch von Hand gedreht, waren noch nicht elektrisch." Damals habe vor alle eine bäuerliche Kundschaft bei ihnen im Laden eingekauft.

 

Nahe bei der Kundin und Kunden

Von den 70-er Jahre bis Ende der 90-er Jahre führte Heinz das Geschäft mit seinem Bruder Fred. Seit dieser im Jahr 1999 verstarb, leitet Heinz Rüfenacht den Laden.

 

Heute bietet Rüfenacht & Co 120'000 Artikel an. Von Haushaltartikeln über Spielwaren, Maschinen, Gartenartikeln bis zu Werkzeugen. Wenn man sich im Laden umschaut, so fällt auf, jede Ecke, jedes Regal, jedes Stockwerk ist überstellt mit Waren. Zum übergrossen Angebot meint Rüfenacht nur: "Es ist halt immer gewachsen von früher her." Es sei schon ein grosser Aufwand heute, mit all den verschiedenen Artikeln.

 

Dennoch ist der Patron überzeugt, dass es ein Geschäft wie seines nach wie vor brauche. Der Maschinensektor sei über die Jahre erweitert worden. Das Personal wurde geschult, das zahle sich aus. "Wir haben einen Vorteil gegenüber den Grossverteilern. Wir können die Produkte vorführen und den Leuten erklären."

 

Neu auch online

"Krisen hatten wir eigentlich nie", sagt Rüfenacht. Aber Corona sei schon einschneidend gewesen. Im ersten Lockdown war der Laden während zwei Monaten zu. Damals sei die Idee für einen Online-Laden entstanden. So konnte das Team weiterbeschäftigt werden. Im zweiten Lockdown sei dieser recht gut gelaufen. Durch den Online-Shop erhielten sie nun Bestellungen aus der ganzen Schweiz. Das werde nun ausgebaut.

 

Leben ohne Handy und TV

Er stehe auch heute noch gerne im Laden. "Ich musste bei der Arbeit nie auf die Uhr schauen. Wenn man am Morgen aufsteht und sich auf das Geschäft freut, ist das einfach schön. Seit der 4. Klasse wusste ich, dass ich das machen will, was mein Papa gemacht hat." Das sei ein Privileg. Sein Herzenswunsch sei es, dass es weitergehe, auch wenn er mal nicht mehr im Laden stehe. Er sei nun dran, die Nachfolge zu regeln. Ansonsten brauche er nicht viel.

 

Heinz Rüfenacht hat privat kein Handy, keinen Fernseher, kein Telefon. "Ich brauche das nicht mehr, ich habe das abgeschafft. Es ist eine andere Lebensqualität, man wird ruhiger und ausgeglichener. Meine Freunde wissen, wie sie mich erreichen." Wenn er mal telefonieren müsse, dann könne er dies im Geschäft machen. Auch dies, ein Privileg.

 

[i] Rüfenacht & Co, Bahnhofstrasse 16, Worb, Online-Shop


Autor:in
Rolf Blaser, rolf.blaser@bern-ost.ch
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Erstellt: 20.06.2021
Geändert: 20.06.2021
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