Angst vor Coronavirus: Tourismus im Ausnahmezustand

Die Tourismusbranche spürt die Angst vor dem Coronavirus. Auch Reiseanbieter in der Region Bern-Ost verzeichnen weniger Buchungen und müssen verunsicherte Kunden beruhigen. Besonders hart trifft es Carreiseunternehmer Walter Lüthi aus Walkringen.

Adrian Kammer, adrian.kammer@bern-ost.ch

Sars, Schweinegrippe oder Terroranschläge – solche Katastrophen drücken auf das Reiseverhalten der Bevölkerung. Darunter leidet direkt der Tourismus. In der Branche kennt man das Phänomen, dass sich auch mit der derzeitigen Angst vor dem Coronavirus wiederholt, bestens. Dementsprechend gibt sich This Neuenschwander, Filialleiter des Reisebüros Schär in Worb, relativ gelassen: "Es ist nichts Ungewöhnliches. Auch das Coronavirus wird vorbeigehen, und wir werden es überleben. Momentan wird sowohl in den Medien und auch in der Bevölkerung etwas übertrieben."

 

Obwohl deutlich weniger Buchungen als zu dieser Jahreszeit üblich vorgenommen wurden, hat das Reisebüro momentan alle Hände voll zu tun. "Es herrscht tatsächlich eine gedämpfte Reisenachfrage. Allerdings müssen wir viele Fragen von Kunden beantworten. Eine Verunsicherung der Leute ist deutlich spürbar", sagt Neuenschwander. Der Reiseexperte muss dann häufig beruhigen. "An den meisten Orten ist die Ansteckungsgefahr nicht grösser als in der Schweiz", erklärt er. Annullationen gab es in der Worber Filiale von Schär-Reisen bis jetzt noch keine.

 

Buchungsstillstand in der wichtigsten Jahreszeit

Bei Belpmoos Reisen in Münsingen wurden laut Geschäftsführerin Gabriela Jones schon einige Buchungen annulliert. "Wir erhalten viele Telefonanrufe von verängstigten Kunden mit Fragen. Wir versuchen sie dann jeweils zu beruhigen und halten sie dazu an, noch abzuwarten – zumindest solange die Stornierungsfrist noch nicht abgelaufen ist", sagt Jones.

 

Das grössere Problem als die Annullationen sind die fehlenden Neubuchungen. Gerade jetzt wäre die wichtigste Zeit für Reisebüros, um die Flugzeuge und Hotels für den Sommer zu füllen. "Momentan herrscht absoluter Buchungsstillstand", sagt Gabriela Jones. Für sie sei die Situation schon ziemlich aussergewöhnlich: "Diesmal ist wirklich der gesamte Tourismus betroffen und nicht nur spezifische Regionen. So etwas hatten wir noch nie."

 

90 Prozent der Reisen annulliert

Noch schlimmer trifft die Coronakrise das Carreiseunternehmen Leros Reisen GmbH von Walter Lüthi in Walkringen. "Annullation, Annullation, Annullation", sagt Lüthi auf Nachfrage von BERN-OST. Zwischen 80 und 90 Prozent seiner Reisen wurden abgesagt und neue wurden seit der Bekanntwerdung des Coronavirus schon gar nicht erst gebucht. Über Ostern soll noch eine Gruppenreise nach Frankreich stattfinden. Aber auch da kann Lüthi nicht ausschliessen, dass sie noch abgesagt wird. Er meint: "Die Leute haben einfach Angst. Sie bleiben lieber zuhause, auch wenn das Ansteckungsrisiko im Reisegebiet nicht grösser als hier ist."

 

Was soll man tun, wenn man keine Kunden mehr hat? "Das Nummernschild vom Car abschrauben und warten", antwortet Lüthi konsterniert. Immerhin habe er ein kleines Unternehmen, weshalb es ihn nicht ganz so teuer kommt wie andere Branchenkollegen mit einer grösseren Flotte.

 

Keine Reisewarnungen mehr vom Bund

Die Unsicherheit bei Reisenden wird vom Bund eher noch geschürt. Seit dem 9. März spricht das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten EDA nämlich keine länderspezifischen Warnungen mehr aus. Das EDA verweist bei dem Entscheid auf das für Gesundheitsrisiken zuständige Bundesamt für Gesundheit BAG, welches aufgrund der mittlerweile fast weltweiten Verbreitung des Virus auf länderspezifische Warnungen verzichtet. Ohne Warnhinweis des EDA muss die Versicherung die Kosten bei Nicht-Antritt der Reise nicht übernehmen.

 

Reisende sind also auf die Kulanz der Anbieter angewiesen. Diese kommen laut Walter Lüthi häufig entgegen, um keine Kunden zu vergraulen. Zusätzlich bieten Reisebüros wie Belpmoos Reisen und Schär-Reisen an, dass alle neugebuchten Ferien bis 14 Tage vor Antritt gratis storniert werden dürfen.


Fehler gefunden?
Statistik

Erstellt: 13.03.2020
Geändert: 13.03.2020
Klicks heute:
Klicks total: