Bolligen - Übung macht den Pilzler
Die Pilzsaison ist in vollem Gange. Ob Rentner oder Student – manch einer versucht sein Glück derzeit im Wald. Worauf kommt es bei der Pilzsuche aber eigentlich an? Und was ist zu tun, wenn man fündig wird? Auf Exkursion mit einem Pilzexperten.
Ausser ein paar wenigen Hündelern ist Paul Lanz der Einzige, den es an diesem regnerischen Nachmittag in den Sädelbachwald in Bolligen gezogen hat. Dass es dem 61-Jährigen dabei nicht um einen Spaziergang an der frischen Luft geht, verrät der Korb in seiner Hand. Lanz ist leidenschaftlicher Pilzler und Präsident des Pilzvereins Ostermundigen. «Während der Saison bin ich mindestens einmal pro Woche im Wald», sagt er und marschiert mit aufmerksamem Blick den schmalen Waldweg entlang.
Dem feuchten Moos nach
Vor einem steilen Hang bleibt er stehen. «Hier ist der Boden moosig und feucht – das mögen die Pilze.» Tatsächlich: Um einen morschen Baumstrunk ragen ein paar grünliche Hüte aus dem Moos. Lanz braucht sich gar nicht erst zu bücken, um die Pilze als Grünblättrige Schwefelköpfe zu identifizieren. «Die wachsen typischerweise auf totem Holz», sagt er.
Dass sich der Lokführer mit Pilzen auskennt, kommt nicht von ungefähr. «Bereits als kleiner Junge bin ich mit meinen Eltern oft in den Wald auf Pilzsuche gegangen.» Später habe er dann einen Pilzbestimmungskurs absolviert. «Nun bin ich seit 13 Jahren im Verein.» Auf Anhieb bestimmen könne er heute etwa 50 Pilzsorten samt ihren Untergruppen – auch weil er schon etliche Bücher darüber gelesen habe.
Junge vertrauen auf Pilz-Apps
Dass sich gerade jüngere Pilzler heutzutage oftmals mithilfe von Pilz-Apps schlau machen, findet Lanz nicht weiter schlimm – trotz aufkommender Kritik von anderen Experten. Diese führen die steigenden Pilzvergiftungen unter anderem darauf zurück, dass sich Laien beim Sammeln auf ihre Smartphones verlassen und gefundene Pilze nicht mehr bei einer Kontrollstelle bestimmen lassen würden. «Ich finde, es gibt durchaus gute und lehrreiche Apps», hält Lanz entgegen.
Ein gewisses Grundwissen sei aber dennoch absolute Voraussetzung. So komme es bei der Bestimmung von vielen Pilzen auf spezifische Merkmale wie Farbe oder Glanz an. «Auch die Nase ist ein wichtiges Instrument», sagt Lanz, und beugt sich über einen Schwefelritterling. «Der hier riecht zum Beispiel wunderbar nach Waschküche.» Der gute Geruch sei aber noch lange kein Indiz dafür, dass ein Pilz auch geniessbar sei. «Um Nase und Auge zu schulen, braucht es letztlich Übung», so Lanz. Und selbst dann sollte man im Zweifelsfall seine Ernte immer von einem Fachmann begutachten lassen.
Abschneiden oder rausdrehen
In Lanz’ Korb hat sich mittlerweile zwar das eine oder andere Exemplar eingefunden, insgesamt fällt die Ausbeute aber eher mager aus. Frustrieren würden ihn halb leere Körbe aber schon lange nicht mehr. «Qualität ist mir wichtiger als Menge.» Auf dem Rückweg wird Lanz dann doch noch mit einem Eierschwamm belohnt. Er setzt sich neben das Fundstück und nimmt ein Messer zur Hand. «Ob man den Stiel abschneidet oder den ganzen Pilz aus der Erde herausdreht, spielt keine Rolle.» Pilze, die von einem Experten noch näher zu bestimmen sind, solle man aber besser unversehrt zur Kontrolle bringen. «Einige sind nur anhand des Stiels genau zu identifizieren.»
Hauptsache, feucht gelagert
[i] Herbstgenuss. Alle Artikel zum Nachlesen: herbstgenuss.bernerzeitung.ch