Biglen - Zwischen Dreschflegel und Mähdrescher

120 Jahre lang kümmerte sich in Biglen und Umgebung eine Genossenschaft um das Dreschen von Getreide. Nun wurde sie aufgelöst. Der Mähdrescher macht ihre Arbeit überflüssig. Zurück bleiben zahlreiche Erinnerungen aus dieser Epoche.

Silvia Ben-el-Warda-Wullschläger, Wochen-Zeitung
Dass er dereinst die Dreschgenossenschaft Biglen wird auflösen müssen, wusste Werner Wüthrich bereits, als er 1984 das Amt des Präsidenten übernahm. Damals wollte ihm noch kaum einer glauben, heute ist die Liquidation bereits vollzogen. «In der letzten Saison, 1999, hatten wir noch 18 Dreschstunden. In der Blütezeit zwischen 1950 und 1960 waren es mit drei Garnituren jährlich 2000 bis 2600 Stunden», erklärt der Landwirt aus Walkringen. Er sieht einen Hauptgrund, weshalb diese Entwicklung so rasant vor sich ging: der Mähdrescher. «Die ersten Modelle eigneten sich noch nicht für das hügelige Emmental, was sich dann aber mit der Einführung des Hangausgleichs änderte. Seit diese Maschinen eingesetzt werden, sind unsere Dreschstunden kontinuierlich gesunken.» Als Genossenschaft diese Entwicklung mitzumachen und einen Mähdrescher anzuschaffen, sei zwar erwogen worden, so Werner Wüthrich. «Es wäre aber zu teuer und umständlich geworden. Man überliess das Dreschen den Lohnunternehmen.»

Dreschen auf dem Hof

Vorbei ist es also mit dem Dreschen von Hof zu Hof. Zurück bleiben zahlreiche Erinnerungen. Werner Wüthrich vertiefte sich in die lückenlos vorhandenen Protokolle und erstellte eine Zusammenfassung der 120 Jahre Dreschgenossenschaft Biglen. Dabei kamen dem 65-Jährigen manche Erinnerung an die eigene Kindheit und Jugendzeit hoch. Er sieht noch vor sich, wie die Dreschmaschine auf dem elterlichen Bauernhof und später auf dem eigenen Betrieb vorgefahren wurde. Diese Maschinen trennten als erste Korn und Stroh und das Dreschgut wurde gereinigt. Sie hatten aber auch Nachteile: das grosse Gewicht und der hohe Preis.

Genossenschaft erweitert

Es war unumgänglich, dass sich die Landwirte zu Genossenschaften zusammenschlossen, so auch 1883 in Biglen, wo sich 14 Mitglieder zusammenfanden. Es wurde «eine 4-pferdige Locomobile (Dampfmaschine) mit Zubehör und eine 4-pferdige transportable Dreschmaschine» zum Preis von 7500 Franken gekauft. 1904 wurde eine neue, grössere Maschine angeschafft. Um die 6800 Franken aufbringen zu können und das Risiko zu verteilen, wurde die Genossenschaft aufgelöst und mit erweitertem Geschäftskreis eine neue gegründet.
Zweite Garnitur, eigener Schuppen

Das Geschäft florierte. Schon 1908 kauften die Genossenschafter eine zweite Dreschgarnitur für 12’500 Franken. Das geschah auch auf Druck von Bauern aus Schlosswil, die drohten, eine eigene Genossenschaft zu gründen, sollten sie nicht aufgenommen werden. Kurz nach dieser Erweiterung konnte der neu erstellte Dreschschuppen an der Enetbachstrasse in Biglen bezogen werden. Der Neubau mit Land kostete 7000 Franken (Quadratmeterpreis von zwei Franken). Um alles finanzieren zu können, mussten neue Genossenschafter angeworben werden, was auch gelang. Das Maschinenhaus wurde 1919 mit elektrischer Kraft ausgerüstet. Auch auf den Bauernhöfen hielt die Elektrizität immer mehr Einzug, so dass Elektromotoren angeschafft und betrieben wurden.

Ein weiterer Meilenstein in der Geschichte war die Anschaffung einer Selbstbinderpresse im Jahr 1924. Damit konnte ein Mann, nämlich der Binder, eingespart werden, benötigt wurden noch ein Maschinist und ein Heizer/Einleger.

Nach dem Krieg folgte Blütezeit

Eine schwierige Zeit hatte die Genossenschaft während des zweiten Weltkrieges zu bestehen, war doch die Beschaffung von Bindegarn äusserst schwierig und kostspielig. Zeitweilig war nur Papierbindegarn erhältlich – nicht der Liebling der Knüpferanlagen auf den Pressen. In dieser Zeit wurde das Vordreschen für eigenes Saatgut hochaktuell und stark genutzt. Und so überstand die Genossenschaft auch die Kriegszeit schadlos. Danach ging es wieder bergauf, zwischen 1950 und 1960 folgte die eigentliche Blütezeit mit rund 90 Mitgliedern. In dieser Zeit wurden diverse Maschinen ge- und verkauft, so dass die Genossenschaft stets auf dem neusten Stand der Technik war.

Das ging so, bis die ersten Mähdrescher mit Hangausgleich auch im Emmental Einzug hielten. Einen solchen anzuschaffen, befanden die Genossenschafter, sei zu teuer und aufwändig. Damit war der Niedergang beschlossen. In der Saison 1999 wurden die Maschinen nur noch während 18 Stunden eingesetzt.

Maschine verschenkt

Mit der Liquidation der Genossenschaft wurden Werner Wüthrich und Hans Haldemann (Sekretär und Kassier) betraut. Das Maschinenhaus konnte vor zwei Jahren für 75’000 Franken an eine Zimmerei verkauft werden. «Die Dreschmaschinen schrieben wir aus zum Gratis-Abholen», sagt der ehemalige Präsident. Die Maschine Speer wurde abgeholt und sollte nach Tunesien verfrachtet werden. Die Maschine Säntis wurde von einer Privatperson aus Linden abgeholt und kommt am Dreschereifest des Jodlerklubs Linden noch zum Einsatz. Die letzte Maschine wird inklusive Presse in die Grube Bigenthal geführt und muss für 350 Franken entsorgt werden. «Eine Epoche ist zu Ende gegangen. Man kann sich den technischen Neuerungen in der Landwirtschaft nicht verschliessen», sagt Werner Wüthrich. Doch trotz aller Einsicht, ein bisschen Wehmut schwingt mit.

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Erstellt: 24.07.2003
Geändert: 26.07.2003
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