Bigenthal - Wildheuen – mehr als ein schöner Brauch
An Steilhängen zu heuen, verlangt viel Kondition und ist gefährlich. Im Hosbach werden einige Trockenwiesen dennoch gemäht – für die Erhaltung der Artenvielfalt.
«Als wir das Land vor zwanzig Jahren in Pacht nahmen, erhielten wir die Bedingung, es zu mähen», sagt Bill. Die Besitzerin der Schlössliwiese, Vroni Beyeler, hatte schlechte Erfahrungen mit Schafhaltern gemacht und wollte keine Nutztiere mehr auf ihrem Land.
Diese konsequente Haltung hat dazu beigetragen, dass der ausgedehnte Steilhang eine Trockenwiese geblieben ist und nun als Naturschutzgebiet gilt. «Für uns hat sich dadurch nicht viel geändert», sagt Bill, «wir waren es ja gewohnt, hier zu mähen.» Früher hätten sie es wegen des zusätzlichen Heus gemacht, heute wegen der Pflege der Artenvielfalt. «Mäht man nicht, oder nicht zur richtigen Zeit, nehmen dominante Pflanzen überhand und verdrängen andere Gräser und Blumen», erklärt Bill. Der Schnitt verhindere zudem die Ausbreitung des Waldes.
Dass Bill und seine Söhne zur richtigen Zeit mähen, haben die Fachleute vom Kanton indirekt bestätigt. Sie kontrollierten die Wiese und stellten eine grosse Artenvielfalt fest. Bill kennt längst nicht alle Pflanzen, die hier wachsen, «aber es ist einfach eine Pracht für das Auge», findet er. Verschiedene Glockenblumen seien hier ebenso zu finden wie Skabiosen, Wiesensalbei und Grasnelken. Bund und Kanton entschädigen die Bauern für artenreiche Wiesen, für Naturschutzgebiete gibt es zusätzliches Geld.
Der Heuet auf der Schlössliwiese geht erst im August los. Und bevor Ernst und Daniel Bill ihre Leute für den Gang in den Hang aufbieten, hören sie bei den Wetterprognosen genau hin: «Wir brauchen drei Tage schönes Wetter. In einem solch steilen Gelände noch schnell Heu einzubringen, ist zu gefährlich.» Jetzt scheint das Wetterglück den Männern sicher zu sein.
Am Donnerstag ist Ernst Bill mit einem bergtauglichen Messerbalkenmäher in den Hang hineingegangen. Dieser biete den Insekten eine bessere Überlebenschance als ein Scheibenschneider, so Bill. Am Freitag wendeten Bill und seine Helfer das Gras nochmals, und jetzt kann es schön getrocknet zu Haufen geschichtet werden. Vier Männer rechen das Heu und führen es zu den vorbereiteten Seilen. Solide Bergschuhe sind bei dieser Arbeit ein Muss.
Türmt sich das Heu genug hoch auf, steht die «Talfahrt» bevor. «Im Gegensatz zum Wildheuen in den Bergen müssen wir hier nicht mit grossen Steinen rechnen», sagt Bill. Doch wie in den Bergen ist auch hier der Hang steil, sehr steil. Bill zieht an den Seilen und stellt sich vor den Ballen. «Es cha los go», ruft einer der Männer von unten herauf. Sachte schreitet Bill Richtung Tal und wird immer schneller. Der Heuballen gewinnt an Fahrt und drückt gegen den Mann. Unten übernimmt ein Helfer und leitet den Heuballen in Richtung Ladegerät. Währenddessen wird oben bereits der nächste Ballen vorbereitet.
Ohne gute Kondition gibt man bei dieser Arbeit schnell auf, dessen ist sich auch Bill bewusst. «Es gibt sicher Leute, die den Kopf ob unserem Tun schütteln», sagt er. Als Naturschützer mag sich der Bauer nicht bezeichnen, aber als jemand mit Interesse an der Natur. Dafür kraxelt er gerne auch zum Heuen den Hang hinauf.