Bibelkunde: Niklaus und die "Worbeliten" in Bedrängnis

Niklaus Gfeller, Gemeindepräsident von Worb, schreibt im Parteiblatt der EVP darüber, wie es ist, in ausweglose Situationen zu geraten. Er verfasste den Text im Juni - und staunt nun selber, wie gut er zu seiner eigenen Lage passt.

Dölf Barben, "Der Bund"
«Ich habe schon mehrfach erfahren, dass Gott zur rechten Zeit eingreift und alles zum Besten wendet.» Dieser Satz steht in einem Text, den Niklaus Gfeller, der Gemeindepräsident von Worb, in der Zeitung der Evangelischen Volkspartei (EVP) dieser Tage veröffentlicht hat. Geschrieben hat er den Beitrag allerdings schon im Juni. Heute sagt er: «Ich habe auch schon gedacht, wie gut der Text nun passt.»

Gfeller ist in den letzten Monaten auf eine einzigartige Weise unter Druck geraten. Fünf seiner sieben Gemeinderatskollegen haben sich öffentlich von ihm distanziert. «Die Sorge um die Gemeinde» rechtfertige ihr Vorgehen, gaben sie bekannt. Und sie empfehlen einen der Ihren, Jonathan Gimmel, zur Wahl am 25. November. Der Zerwürfnis scheint so gross zu sein, dass SP-Mann Gimmel sogar von der SVP unterstützt wird - kaum zu glauben, aber wahr.

Gfeller hat diese beispiellosen Vorgänge bisher geduldig hingenommen. Wo andere sich massiv gewehrt hätten, hat er bloss verständnisvolle Sätze zu Protokoll gegeben. («Im Grunde genommen war dieser Schritt absehbar.») Das Heftigste, was von ihm bisher zu hören war, klang wie ein sanftes Lüftchen: «Eine weitere Grenze wurde überschritten.» Warum lässt dieser Mann alles mit sich geschehen? Warum verteidigt er sich nicht? Warum schlägt er nicht zurück? Wer Gfellers Beitrag in der EVP-Zeitung liest, weiss es. Gfeller kämpft auf einer anderen Ebene. Oder besser gesagt: Er vertraut darauf, dass auf einer anderen Ebene für ihn gekämpft wird. In seinem Text geht er auf den Auszug der Israeliten aus Ägypten ein. Das Volk Israel ist, wie befohlen, der Wolkensäule gefolgt und befindet sich nun trotzdem in dieser «schrecklichen Lage»: vor ihm das Meer, hinter ihm das Heer des Pharao, auf der Seite unüberwindliche Berge. Die Geschichte lasse erahnen, schreibt Gfeller, dass Gott die Israeliten «bewusst in diese Lage gebracht hat». Aber «warum tut er das?», fragt er und beschreibt Mose, den Führer des Volkes Israel, als einen, der durchhalte, trotz Vorwürfen des Volkes. Beim Weiterlesen des biblischen Textes erfahre der Leser schliesslich, «wie gewaltig Gott eingreift, wie er sein Volk durch das Meer hindurchbringt und gleichzeitig das Heer von Pharao vernichtet». Er nehme, schreibt Gfeller, «diese Geschichte für mich und für den Kanton Bern in Anspruch». Beim Kanton sei es die Lage der Pensionskassen, die der Situation vor dem Roten Meer ähnlich sei: «Die Unterdeckung scheint ins Uferlose zu laufen. Eine einfache Lösung ist nicht in Sicht.»

In Bezug auf sich selber bleibt Gfeller eher im Allgemeinen; er überträgt die Geschichte nicht direkt auf seine gegenwärtige Situation. «Grösste Schwierigkeiten in Familie, im Beruf oder in der Politik bleiben mir nicht erspart», schreibt er. Gott habe aber ausdrücklich verheissen, «dass ich mich ruhig auf ihn verlassen kann».

Was heisst das? Rechnet er damit, dass der Allmächtige in Worb dafür sorgt, dass er die Wiederwahl als Gemeindepräsident gewinnt und seine politischen Gegner in ihren Polit-Streitwagen in den zurückschwappenden Wogen untergehen? «Nein, nein», sagt Gfeller, der als Gymnasiallehrer früher naturwissenschaftliche Fächer unterrichtete. Als «EVPler» glaube er selbstverständlich an die Bibel und an das Wirken Gottes in dieser Welt. «Aber hier dürfen Sie nicht zu viel hineininterpretieren.» Er glaube zwar daran, «dass ich durch diese Sache hindurchgeführt werde - aber es ist nicht klar, wie». Für ihn sei es darum «tatsächlich spannend, wie das herauskommt». Er stecke nicht zum ersten Mal in einer schwierigen Situation, sagt er. Aufgrund seiner Erfahrungen, «dass sich immer wieder alles ergeben hat», sei sein Glaube aber immer gewachsen.


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Dölf Barben, "Der Bund"
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Erstellt: 17.09.2012
Geändert: 17.09.2012
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