Altes Schweizer Handwerk: Röthlisbergers aus Enggistein züchten Seidenraupen

Barbara Röthlisberger (37) schnibbelt derzeit mehrmals täglich Maulbeerblätter klein. Vor einigen Tagen sind die Seidenraupen auf ihrem Bauernhof in Enggistein geschlüpft und sollen sich dereinst in weisse Coccons einspinnen. Für den Verein SwissSilk entsteht daraus nach 150 Jahren wieder Seide aus Schweizer Produktion.

Isabelle Berger, isabelle.berger@bern-ost.ch

„Zur Zeit sind die Seidenraupen noch munzig“, sagt Röthlisberger. Rund 120 Stück zieht sie derzeit auf. Bis sich die Räupchen verpuppen, werden sie das 10 000-fache an Körpergewicht zugelegt haben.

 

Vor zwei Jahren haben Barbara Röthlisberger und ihr Mann Alex (35) auf ihrem Land knapp dreissig weisse Maulbeerbäume angepflanzt – die einzige Nahrung der Seidenraupen. „Noch reicht es aber nicht ganz, um die Raupen von unserem eigenen Laub zu ernähren“, sagt Röthlisberger.

 

Füttern, füttern, füttern

Vier mal am Tag stehen 0.3 Gramm frische Blätter pro Raupe auf dem Speiseplan, mit zunehmendem Alter wird die Menge Blätter grösser. Damit die Winzlinge diese anbeissen können, müssen sie ihnen bereits verkleinert vorgesetzt werden.

 

„Bald kommen sie in die erste Häutung. Dann warte ich mit füttern, bis sich die meisten gehäutet haben, damit sich möglichst alle etwa gleich schnell entwickeln“, erklärt Röthlisberger.

 

Drei Kilometer Faden pro Coccon

Insgesamt vier mal häuten sich die Raupen. Dann verpuppen sie sich. „Ein Coccon besteht aus bis zu drei Kilometern Seidenfaden und reicht für etwa zwei mal zweieinhalb Zentimeter Stoff“, sagt Röthlisberger.

 

Nachdem sich die Raupen verpuppt haben, werden die Coccons im Backofen getrocknet. „Im Humanushaus in Beitenwil werden die Fäden dann abgehaspelt und zu Rohseide verarbeitet“, so Röthlisberger.

 

Exakte Bedingungen, improvisierte Einrichtung

Viel Platz brauchen die Raupen nicht. Ein altes Terrarium und ein Becher tuts. Darin hält Röthlisberger Luftfeuchtigkeit und Temperatur mit Hilfe von Messgeräten unter Kontrolle. „Es ist alles sehr improvisiert und jeder macht es wieder anders, aber es funktioniert“, sagt sie.

 

2009 nahm der Verein SwissSilk das vor 150 Jahren weit verbreitete Schweizer Handwerk der Seidenraupenzucht wieder auf. Seither ziehen eine Handvoll Bauernhöfe, darunter derjenige von Röthlisbergers, als Nebenerwerb die Raupen auf.

 

Das alte Handwerk vermitteln

Bis es sich aber lohnt, wird es noch eine Weile dauern. „Es ist vor allem zur Freude“, begründet Röthlisberger ihr Engagement. „Letztes Jahr haben wir mit zwei Aufzuchten sieben Franken verdient. Weil ich noch zusätzliche Maulbeerblätter in Worb holen musste, habe ich für das Benzin wohl mehr als das ausgegeben“, sagt sie.

 

Die Zucht richtig auszubauen, ist aber sowieso nicht ihr Ziel. „Wir möchten den Leuten dieses Handwerk wieder näherbringen“, sagt sie. Deshalb hält sie die Raupen in ihrem Hofladen, wo sie Besuchern zu den Öffnungszeiten des Ladens zugänglich sind.

 

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Autor:in
Isabelle Berger, isabelle.berger@bern-ost.ch
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Erstellt: 23.07.2018
Geändert: 23.07.2018
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