Doris Bigler aus Utzigen: "Die Initiativen sind falsch formuliert"
Am 13. Juni stimmen wir über die Volksinitiativen "Für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung" und "Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide" ab. Die Vorlagen bewegen - auch im ländlichen Bern-Ost. Eine Bio-Bäuerin und ein Bio-Bauer erklären, warum die eine Nein und der andere Ja stimmen.
Der Abstimmungskampf um die "Agrarinitiativen" wird auf beiden Seiten vehement geführt. Gemäss diversen Medienberichten (auch auf BERN-OST) werden dabei vielerorts Grenzen des Anstands und des Respekts verletzt. Berichtet wurde über zerstörte Plakate, Beschimpfungen und Bedrohungen.
Mit Doris Bigler aus Utzigen und dem bürgerlichen Worber Gemeinderat Bruno Wermuth (bis vor kurzem SVP) aus Vielbringen kommen hier zwei Betroffene zu Wort, die sich mit der Entscheidung nicht leicht taten. Beide wirtschaften nach den Bio-Richtlinien und beide haben auch Verständnis für die andere Seite.
Wie gross ist Ihr Hof? 27 Hektaren
Was produzieren Sie? Milch, Pouletfleisch und Urdinkel
Falls Sie Tiere halten: Welche und wieviele? 27 Milchkühe, 2500 Mastpoulets
Produzieren Sie unter einem Label? Bio Suisse (Knospe)
Wer alles arbeitet auf Ihrem Hof bzw wievielen Leuten bietet er ein Auskommen?
Unser Betrieb ist ein typischer Familienbetrieb. Er bietet ein Auskommen für eine Familie. Da mein Schwiegervater noch zu 100 Prozent auf dem Betrieb angestellt ist, arbeitet mein Mann Christian 60 Prozent auswärts. Christian und ich wechseln uns mit der Hofarbeit und der Betreuung unserer zwei Kinder (1 und 3 Jahre alt) ab.
Wie stimmen Sie am 13. Juni bei den beiden Agrarinitiativen ab?
Ich habe 2x Nein gestimmt.
Warum haben Sie sich so entschieden?
Bei der Trinkwasserinitiative war ich mir sicher mit dem Nein. Die Initiative hat zwar gute Absichten. Aber der Initiativtext ist falsch formuliert. Erstens sind die Importe kein Thema. Es können also nach wie vor Produkte aus konventioneller Billigproduktion aus dem Ausland eingeführt werden. Damit verlagern wir die Umweltprobleme einfach ins Ausland. Zweitens fokussiert die Trinkwasserinitiative nur auf die Landwirtschaft. Pestizideinsatz im Privatgarten und in der Kommunalarbeit wäre weiterhin möglich. Das ist inkonsequent. Drittens schränkt die Forderung, dass nur noch betriebseigenes Futter verfüttert werden soll, sehr stark ein. Da die Trinkwasserinitiative alle Forderungen mit dem Erhalt von Direktzahlungen verknüpft, können sich Grossbetriebe auch sagen, dass sie auf die Direktzahlungen verzichten und produzieren dann womöglich weniger umweltfreundlich als bisher.
Bei der Initiative für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide war ich unschlüssig. Die Initiative ist konsequent formuliert: Das Verbot synthetischer Pestizide gilt nicht nur für die Landwirtschaft, sondern auch für die Verarbeitung, die Landschaftspflege und für Importe. Damit haben alle gleich lange Spiesse. Als Biobetrieb wissen wir zudem, dass eine Produktion ohne synthetische Pestizide möglich ist. Allerdings wissen wir auch, dass es bei gewissen Kulturen (z.B. Kartoffeln, Raps, Zuckerrüben, Gemüse, Obst...) je nach Schädlings- und Krankheitsdruck auch zu deutlichen Qualitäts- und Ertragseinbussen kommen kann. Es braucht noch einige Jahre Forschung und Züchtung um diese Probleme zu lösen.
Zudem frage ich mich: Weshalb braucht es diese Initiativen, wenn ja jede Konsument bereits heute Bioprodukte kaufen kann, die ohne synthetische Pestizide hergestellt wurden? Ganz nach dem Motto: Der Einkaufszettel wirkt schneller als der Stimmzettel.
Könnten Sie auf Ihrem Hof die Vorgaben einhalten, die die beiden Initiativen fordern?
Die Vorgaben der Pestizidiniative halten wir bereits ein. Bei der Trinkwasserinitiative hätten wir ein Problem mit dem Futterzukauf für unsere Mastpoulets. Wir müssten die Pouletmast aufgeben, welche eine wichtige Einnahmequelle für unseren Betrieb ist. Auch hierzu kann ich nur sagen: Wer ein Problem hat mit Futtermittelimporten, der soll doch einfach kein Poulet- und kein Schweinefleisch mehr essen oder sich einen Betrieb suchen, der das Fleisch mit hofeigenem Futter produziert und direkt vermarktet. Wir Landwirte produzieren, was nachgefragt wird. Wenn plötzlich nur noch Bio gefragt ist, werden auch mehr Betriebe umstellen.
Wie empfinden Sie den Abstimmungskampf? Wie ist der Austausch zu den Abstimmungen unter Landwirt:innen in Ihrem Umfeld? Haben Sie auf Ihrem Land Plakate aufgestellt? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, gab es Reaktionen darauf?
Ich empfinde den Abstimmungskampf tatsächlich als heftig. Wie Gegner und Befürworter sich auf den sozialen Medien beschimpfen, macht mich traurig. Dass Landwirte, die mit der Feldspritze unterwegs sind, böse Gesten aushalten müssen, ist tragisch. Wir haben viele Kollegen, die nicht biologisch produzieren. Sie erfüllen die Vorschriften des ökologischen Leistungsnachweises und machen nichts Verbotenes. Ausserdem ist die Feldspritze ja vielleicht mit Komposttee oder einem biologischen Mittel befüllt. Wir haben keine 2x Nein- Plakate aufgestellt, da wir nur die Trinkwasserinitiative klar ablehnen.